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1954
stellte Tolkien in einem Brief fest, dass „die lebende Sprache der
westlichen Elben (Sindarin
oder Grau-Elbisch) die [im HdR] zumeist vorkommende ist, besonders in
Namen. Sie ist von einem mit dem Quenya
gemeinsamen Ursprung abgeleitet; aber die Veränderungen sind bewußt
darauf angelegt, ihr einen Sprach-Charakter ähnlich (jedoch nicht
identisch mit) dem Britisch-Walisischen
zu geben: "weil dies ein Charakter ist, den ich in manchen
sprachlichen Stimmungen sehr attraktiv finde; und weil er dem eher
„keltischen“ Typ der Sagen und Geschichten, die von seinen Sprechern
erzählt werden, angemessen zu sein scheint“ (Briefe#144). Später
empfand er, dass „dieses Element der Erzählung vielen Lesern mehr
Freude bereitete hat als alles andere in ihr“ (MC:197). Eine walisisch
oder keltisch klingende Sprache war in Tolkiens Mythologie von Anfang an
präsent. Diese Sprache wurde ursprünglich Gnomisch oder I·Lam
na·Ngoldathon,
„die Sprache der Gnome (Noldor)“ genannt. Tolkiens Original des
Gnomisch-Wörterbuches, datiert von ca. 1917, wurde im Parma
Eldalamberon #11 veröffentlicht und erwies sich mit tausenden
Worten als ein sehr umfangreiches Dokument. Viele Gnomisch-Worte daraus
finden sich auch in den Anhängen der HoME1+2
(Buch der Verschollenen Geschichten 1+2). Parma
Eldalamberon veröffentlichte auch die (nie fertig gestellte)
Gnomisch-Grammatik. Aber obwohl Tolkien viel Arbeit in diese Sprache
investierte, wurde sie später verworfen. In einem späten Dokument
(HoME12) bezeichnet Tolkien Gnomisch als „die Elben-Sprache die
letztendlich zu einer anderen wurde, Sindarin genannt.“ und merkte
weiter an, dass es „in einer primitiven und unorganisierten Form
war“. Einige der zentralen Ideen der Gnomisch-Grammatik, insbesondere
bestimmte Konsonanten-Mutationen, wurden später im Sindarin wieder
aufgenommen. Ein Teil des Gnomisch-Wortschatzes bestand im Sindarin
unverändert oder in wiedererkennbarer Form weiter. Trotzallem war
Gnomisch eine völlig andere Sprache, obwohl die Aussprache der des
Sindarin ähnlich war (viele ch’s
und th’s, und die meisten
Worte endeten mit einem Konsonanten). Ein wichtiges Merkmal des Sindarin,
die Umlaute oder Beeinflussung von Vokalen, erscheint nachweislich erst
in Grammatiken, die Tolkien in den Zwanziger Jahren schrieb. Aber erst
in den Dreißiger Jahren, mit den Etymologien (HoME5), tauchte in
Tolkiens Notizen eine Sprache ähnlich dem Sindarin im Stil des HdR auf.
Diese wurde jedoch „Noldorin“ genannt, denn wie ihr Vorläufer
Gnomisch war sie, nicht als Sprache der Sindar, sondern als Sprache der Noldor
konzipiert – entstanden in Valinor. Zu diesem Zeitpunkt war Quenya nur
als Sprache für die „Lindar“ (später: Vanyar) gedacht. Erst als er
die Anhänge zum HdR schrieb, verwarf Tolkien diese Idee und machte aus
Noldorin Sindarin. Quenya wurde nun die ursprüngliche Sprache von Vanyar
und Noldor – letztere übernahmen Sindarin als sie in Mittelerde ankamen. Daraus ergab
sich, dass die keltisch anmutende Sprache aus Tolkiens Mythologie schließlich
nicht mehr ihre eigene Sprache war (obwohl sie sich in der Geschichte
Beleriands von allen die Sindarin sprachen am meisten hervortaten).
Sindarin entstammte nicht dem Segensreich von Valinor, sondern war eine
Sprache mit Ursprung in Mittelerde. In
früheren Entwürfen sprachen die Elben Beleriands eine Sprache Namens Ilkorin,
die durch Sindarin ersetzt wurde, als Tolkien die o.g. Umarbeitungen
vornahm. (Edward Kloczko hat dazu ausgeführt, dass Ilkorin in die nördliche
Mundart des Sindarin übergeleitet wurde; sein Artikel dazu findet sich
bei Helge Fauskangers Ausführungen zu Ilkorin). Tolkiens Entscheidung,
die Geschichte der keltisch anmutenden Sprache grundlegend zu ändern
war vermutlich eine glückliche Entscheidung, machte sie doch die
sprachliche Situation nachvollziehbarer: Es war sicherlich schwer
vorstellbar, dass die Vanyar und die Noldor zwei derart unterschiedliche
Sprachen wie Quenya und „Noldorin“ entwickelten, während sie in
Valinor Seite an Seite lebten. „Noldorin“ in Sindarin umzuwandeln
nahm sich dieses Problems an; jetzt konnten sich die beiden Zweige des
Elbischen während der langen Zeitalter, in denen ihre Sprecher in
absoluter Trennung voneinander lebten, völlig unabhängig entwickeln. Das
„Noldorin“ der Etymologien
ist nicht vollkommen identisch mit dem Sindarin wie es im HdR vorliegt,
denn Tolkien hörte nie auf, seine erfundenen Sprachen zu verfeinern und
zu ändern. Aber viele der Unterschiede, die „Noldorin“ vom Sindarin
des HdR trennen, folgen glücklicherweise Regeln,
Tolkien passte einige Details der Entwicklung aus dem Ur-Elbisch an. Aus
diesem Grund kann ein Großteil des „Noldorin“-Materials relativ
einfach an die sprachlichen Gegebenheiten im HdR angepaßt werden.
Einige müssen geringfügig geändert werden; zum Beispiel sollte der
Doppellaut oe des „Noldorin“ in Sindarin durch ae ersetzt werden. Ein Beispiel beinhaltet Belegoer als Namen für den Großen Ozean (HoME5:349,352); diese
Schreibweise änderte Tolkien später in Belegaer
– wie auf der im Silmarillion
veröffentlichten Karte. Eine weitere Änderung bezieht sich auf die
Konsonanten lh- und rh-; mehrere Beispiele zeigen, dass dort wo sie im „Noldorin“
auftreten Sindarin statt dessen einfach l-
und r- verwendete. Daraus können
wir ableiten, dass ein Wort im „Noldorin“ wie rhoeg
(=falsch; HoME5:383) in Sindarin wahrscheinlich eher raeg lautet – obwohl letzteres nirgendwo explizit belegt ist. Es
ist diskutiert worden, ob das „Noldorin“ der Etymologien, mit seinen vielen Eigenarten, mit einem „irgendwie
fremden“ Dialekt des Sindarin gleichgesetzt werden kann, den die
Noldor in Gondolin sprachen (HoME1/Verschollene Geschichten). Dieser Weg
trügen auch der Bezeichnung „Noldorin“ im Gegensatz zu Sindarin
Rechnung. Es ist jedoch genau so gut möglich, dass Tolkien „Noldorin“,
aufgrund des Ausmaßes der Unterschiede zu seinen späteren
Vorstellungen von Sindarin, als komplett überholt betrachtet hätte.
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