2. Das Substantiv

 

  I Pluralbildung im Sindarin
 II Der Gruppenplural
III Die ungebeugten Fälle

In seiner fiktiven Entwicklung gab es im Sindarin ursprünglich nicht nur Singular und Plural, sondern auch den Dual. Letzterer wurde jedoch schon früh nur noch in der Schriftsprache verwendet (Briefe #347). An seiner Stelle entwickelte sich neben dem normalen Plural ein sog. Gruppen- oder Klassen-Plural.

Wie in den meisten Sprachen ist der Singular die ungebeugte Grundform des Substantivs. Tolkien merkt an, dass der Plural im Sindarin "meistens durch Vokal-Änderungen gebildet wurde" (RGEO:74): amon "Berg" wird zu emyn "Berge"; aran "König" wird zu erain "Könige". Die Konsonanten bleiben die selben, aber die Vokale ändern sich. Diese Form der Pluralbildung ist auch aus dem Deutschen bekannt, nur dass hier unabhängig davon zusätzliche Pluralendungen verwendet werden: Haus > Häuser, Hand > Hände, Maus> Mäuse. Im Sindarin ist die Situation eine andere: Die Vokal-Änderung ist die übliche Form der Pluralbildung, nur einige wenige Worte weisen eine Pluralendung auf. Die Regeln für diese Veränderungen gelten sowohl für Substantive als auch für die sie beschreibenden Adjektive (letztere ändern sich auch mit dem Numerus), aus diesem Grund werden in den Beispielen zur Pluralbildung auch Adjektive genannt werden. Die Vokaländerungen haben ihren Ursprung in dem Phänomen des Umlauts. Der Umlaut ist ein wichtiges Merkmal des Phonologie des Sindarin; das Wort im Sindarin für dieses Phänomen ist prestanneth und bedeutet soviel wie Beeinflussung oder Abhängigkeit. Es hat etwas damit zu tun, dass ein Vokal einen anderen im gleichen Wort "beeinflußt", ihn im Lautwert an sich angleicht, oder mit dem linguistischen Ausdruck, ihn assimiliert. Die für die Pluralbildung relevante Umlautbildung bezeichnete Tolkien als "i-Abhängigkeit" (HoME11:376), da es der Vokal i war, der ihn ursprünglich auslöste. Tolkien ging davon aus, dass das primitive Elbisch eine Pluralendung *-î hatte, die im Quenya noch als –i besteht (wie in Qendi, Atani, Teleri etc.) Diese Endung als solche existiert im Sindarin nicht mehr, aber es gibt eindeutige Spuren dafür, dass es sie früher gab; und genau diese "Spuren" wurden zum Pluralmerkmal des Grau-Elbischen. Wenn z.B. der Plural von fang "Bart" (wie in Fangorn "Baumbart") mit feng angegeben wird, liegt das daran, dass das a durch die alte Pluralendung *-î, -i beeinflußt wurde, als diese noch existierte. In der ursprünglichsten Form des Elbischen war das Wort für "Bart" spangâ Pl. spangâi, in der Entwicklungsstufe die Alt-Sindarin genannt wird, war daraus sphanga Pl. sphangi geworden. Der Singular ergab im "klassischen" Sindarin fang, aus dem Plural sphangi wurde feng; der ursprüngliche Lautwert des Vokals a verschob sich zur Pluralendung –i ehe diese entfiel – daher weist die spätere Pluralform feng das e als eine Art Kompromiß zwischen (dem Ursprungsvokal) a und (der entfallenen Endung) i auf. (Eventuell  gab es auch ein Zwischenstadium mit ei, also ?feing.)

  

 

I. Pluralbildung im Sindarin

 

Im Rahmen der "Beeinflussung" oder "Umlautbildung" unterliegen die Vokale und Diphtonge unterschiedlichen Änderungen. Manchmal müssen sowohl der genaue Zusammenhang als auch die phonologische Entwicklung in Betracht gezogen werden um die Pluralform eines Wortes zu ermitteln. In den folgenden Texten werden die Vokale nach ihrer "normalen" bzw. unbeeinflussten Form aufgelistet.

Der Vokal A

Das a in der Endsilbe eines Wortes wird normalerweise im Plural zu ai. Das gilt auch für einsilbige Worte (in denen oft ein langes â vorliegt). Das o.g. Beispiel fang Pl. feng anstatt **faing scheint eine Ausnahme zu sein, denn diese Regel ist ansonsten hinreichend belegt:

tâl "Fuß", pl. tail (Singular in HoME5:390 s. TAL; der Plural tail ist in seiner lenitierten Form -dail im zusammengesetzten Wort tad-dail "Zweifüßer" in HoME11:388 belegt)  
cant
"Umriß, Form", pl. caint (Singular in HoME5:362 s. KAT; zum Plural s. morchaint = "Schatten" im Anhang des Silmarillion [Eintrag gwath, wath]; zusammengesetzt aus mor "dunkel" + caint "Umrisse", c wird hier aus phonologischen Gründen zu ch)  
ra
ch
"Wagen, Karren", pl. raich (s. Imrath Gondraich "Steinkarrental" in NaME:593)
barad "Turm", pl. beraid (Anhang des Silmarillion, Eintrag barad)  

lavan
"Tier", pl. levain (HoME11:416)  
aran
"König", pl. erain (HoME5:360 s. 3AR)

ANMERKUNG:
Im "Noldorin" der Etymologien wird a in der Endsilbe statt dessen zu ei; folglich ergeben sich adar "Vater" Pl. edeir (Eintrag ATA), Balan "Valar" Pl. Belein (BAL), habad "Küste" Pl. hebeid (SKYAP), nawag "Zwerg" Pl. neweig (NAUK), talaf "Grund, Boden" Pl. teleif (TAL). Das gleiche Bild ergibt sich bei einsilbigen Worten: Dân "Nandorin-Elb" Pl. Dein (NDAN), mâl "Pollen" Pl. meil (SMAL), pân "Brett" Pl. pein (PAN), tâl "Fuß" Pl. teil (TAL). Wie aber oben schon aufgezeigt, wurde der Plural von tâl im späteren Sindarin Tolkiens zu tail (als lenitierte Form –dail in tad-dail in HoME11:388 belegt). Ebenso ist der Plural von adar anscheinend nicht edeir wie in den Etymologien sondern edair (wie in Edenbedair "Väter der Menschen" HoME10:373 – Quelle aus der Zeit nach dem HdR). In den Anhängen des Silmarillion bestätigt der Eintrag val-, dass der Plural von Balan "Vala" Belain ist und nicht Belein wie in den Etymologien. Es scheint, dass in allen genannten Beispielen das ei des "Noldorin" durch das ai des Sindarin ersetzt werden kann. Zumindest in einem Fall stimmt die Angabe in den Etymologien mit der im späteren Sindarin beobachteten Regeln überein: das bereit erwähnte Beispiel aran "König" Pl. erain (nicht erein) im Eintrag 3AR ( erain als Plural erscheint im Namen Fornost Erain "Nordburg der Könige", HdR3,VI,Kap.7). Interessanter weise merkt Christopher Tolkien an, dass die Gruppe von Einträgen in den Etymologien, zu denen 3AR gehört "durchgestrichen und lesbarer ersetzt wurde" (HoME5:360). Dieses geschah eventuell nachdem sein Vater die Plural-Regeln überarbeitet hatte, die ansonsten in den Etymologien fortbestehen. In der HoME12:31 sieht man in einem Entwurf zum Anhang für den HdR, dass Tolkien den Plural zu Dúnadan von Dúnedein  zu Dúnedain änderte. Scheinbar ist der alte Plural des "Noldorin" mit ei nicht grundsätzlich hinfällig; er kann als archaisches Sindarin angesehen werden: Unter bestimmten Umständen, die Änderung von ei zu ai geschah ebenso in der angenommenen Geschichte Mittelerdes, kann Dúnedain in einem früheren Stadium durchaus Dúnedein gewesen sein. Anscheinend entschied Tolkien, dass ei in der Endsilbe eines Wortes (und somit auch bei einsilbigen Worten) zu ai wurde, ansonsten aber ei erhalten blieb. So gibt es zum Beispiel teithant "zeichnete" (oder "schrieb") in der Inschrift des Moria-Tores, und dieses teith- ist verwand mit dem zweiten Element –deith des Wortes andeith "Langzeichen" (ein Zeichen um lange Vokale in Tengwar zu kennzeichnen, HoME5:391 TEK). Allerdings erscheint das Wort andeith der Etymologien als andaith im Anhang E des HdR, da ei hier in der Endsilbe steht. Teithant wurde nicht zu **taithant, da ei hier nicht in der Endsilbe auftritt. Andere Worte bestätigen diese Regel. Wie schon oben erwähnt ist der Plural von aran erain, aber erein- findet sich im Namen Ereinion "Spross der Könige" (Der Geburtsname Gil-Galads, HoME12:347/ NaME:562). Anscheinend lautete der Plural in altem Sindarin erein, wurde später zu erain da ei in der Endsilbe zu ai wurde; aber in einem zusammengesetzten Wort wie Ereinion blieb der Diphtong ei unverändert, da er sich hier nicht in der Endsilbe befand.

Bei einigen bestimmten Worten wird a in der letzten (oder einzigen) Silbe zu e statt zu ai. Im Plural kann es zuerst wie sonst auch zu ei geworden sein, doch dann ging der letzte Teil des Diphtongs nachweislich verloren (und zwar bevor aus ei das ai wurde), nur das e blieb erhalten und blieb dann später unverändert. HoME10:373 belegt, dass der Plural von narn "Erzählung" nern ist und nicht **nairn oder **neirn, obwohl letzterer zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben mag. Es scheint auch so, als ob eher e anstatt ei/ai vor ng auftritt; in den Etymologien gibt es das Beispiel Anfang pl. Enfeng (nicht **Enfeing) "Langbärte", einen der Zwergenstämme (HoME5:387 SPÁNAG). HoME10:10 gibt eine post-HdR Quelle wieder, die bestätigt, dass der Plural Enfeng im späteren Sindarin Tolkiens noch gültig war. Vom Beispiel fang "Bart" pl. feng ausgehend scheint es, dass der Plural von Worten wie lang "Schwert" (nach "Noldorin" lhang, HoME5:367), tang "Bogensehne" oder thang "Bedürfnis, Not" die Formen leng, teng, theng annimmt.  

ANMERKUNG:
In den Etymologien gibt es weiter Beispiele aus dem "Noldorin" für Plurale, bei denen a in der Endsilbe zu e wird statt zu ei/ai: adab "Haus, Gebäude" pl. edeb (TAK), adar "Vater" pl. eder neben edeir (ATA), Balan "Vala" pl. Belen neben Belein (BAL), falas "Küste, Strand" pl. feles (PHAL / PHALAS), nawag "Zwerg" pl. neweg neben neweig (NAUK), rhofal "Flügel, Schwinge" pl. rhofel (RAM) und salab "Heilkraut" pl. seleb (SALÂK-WE). Bei den genannten Beispielen scheint es jedoch wenig Grund für die Annahme zu geben, dass der Plural mit e auch noch in Tolkiens späterem Sindarin Gültigkeit hatte. Zumindest zwei dieser "Noldorin"-Plurale – eder und Belen - kollidieren mit den ebenfalls belegten Pluralformen edair und Belain des Sindarin. Es scheint so, als ob man sich die Freiheit nehmen könnte, auch edeb, feles, neweg, rhofel, seleb durch Sindarin edaib, felais, newaig, rovail, selaib zu ersetzen, obwohl diese Formen so nirgends direkt belegt sind. (Hierbei ist zu beachten, dass "Noldorin" rhofal "Flügel, Schwinge" pl. rhofel unter Berücksichtigung von Phonologie und Schreibweise im Sindarin zu roval pl. rovail wird.) Ein anderes Beispiel aus dem "Noldorin" in dem a zu e wird, ist rhanc "Arm" pl. rhenc (RAK). Bei Überleitung in das Sindarin im Stil des HdR wird der Singular zu ranc, aber wird der Plural zu renc oder zu rainc? Das Beispiel cant "Umriss" pl. caint aus dem Sindarin (s.o.) scheint zu zeigen, dass a vor einer Gruppe aus n + einem stimmlosen Stopplaut im Plural zu ai wird; folglich müßte "Arme" im Sindarin rainc sein.

Zumindest in einem Wort bleibt das frühere ei unverändert und wird nicht zu ai obwohl es in der Endsilbe steht. Entsprechend NaME:353 ist der Plural von alph "Schwan" eilph; das würde bedeuten, dass ei vor einer mit l beginnenden Konsonantengruppe unverändert bleibt. (Früher, im "Noldorin" der Etymologien, wurde das Wort für "Schwan" alf geschrieben und der Plural mit elf angegeben: HoME5:348 ÁLAK; zum Plural s. hobas in Elf *"Hafen der Schwäne" HoME5:364 KHOP). Entsprechend dem Beispiel eilph könnte im Sindarin der Plural von lalf "Ulme" leilf sein, obwohl der Plural im "Noldorin" der Etymologien mit lelf angegeben wird (HoME5:348 ÀLAM).

In nicht-endständigen Silben wird a im Plural zu e, wie man auch an einigen der bereits genannten Beispiele sieht: aran "König" pl. erain; amon "Berg" pl. emyn; lavan "Tier" pl. levain. Das gilt nicht nur für Vokale in der vorletzten Silbe, wie in diesen Beispielen, sondern auch in langen, mehrsilbigen Worten; a in jeder nicht-endständigen Silbe wird zu e. Das gilt auch dann, wenn das a mehrfach nacheinander auftritt: HoME10:387 zufolge wird Aphadon "Nachfolger" im Plural zu Ephedyn. Der Eintrag TÁWAR in HoME5:391 zeigt, dass das Adjektiv tawaren "hölzern, aus Holz" die Pluralform tewerin hat. In HoME10:373 gibt es das Wort Edenedair "Väter der Menschen", den Plural des zusammengesetzten Wortes Adanadar "Menschenvater" ( adan "Mensch" + adar "Vater"). Hier sieht man, dass a in der Endsilbe zu ai und in allen anderen Silben zu e wird. Stünde das Wort adan alleine, wäre der Plural edain, da das zweite a dann in der letzten Silbe stünde. Im zusammengesetzten Wort Adanadar ist das jedoch nicht der Fall, folglich ergibt sich im Plural Eden-.

Der Vokal E:

Was diesen Vokal angeht, scheint glücklicher Weise Übereinstimmung zwischen Tolkiens ausgereiftem Sindarin und einem Großteil des frühen Materials aus den Etymologien zu bestehen. Das Verhalten dieses Vokal ist ziemlich einfach. In der letzten Silbe eines Wortes wird e zu i:

edhel "Elb" pl. edhil (HoME11:364, 377; s. eledh pl. elidh in HoME5:356 ELED) 
ereg "Stechpalme" pl. erig (HoME5:356 ÉREK) 
Laegel
"Grünelb" pl. Laegil (HoME11:385) 
lalven
"Ulme" pl. lelvin (HoME5:348 ÁLAM) 
malen
"gelb" pl. melin (HoME5: SMAL)

Dies gilt ebenso für einsilbige Worte bei denen die letzte Silbe auch die einzige Silbe ist:

certh "Rune" pl. cirth (HoME11:396)
telch "Stamm" pl. tilch (HoME5:391 TÉLEK)

Im Falle eines langen ê weist der auch der Plural ein langes î auf:

hên "Kind" pl. hîn (HoME11:403)
têw "Buchstabe" pl. tîw (HoME11:396)

In HoME5:363 gibt es im Eintrag KEM das Wort cef "Boden, Erde" pl. ceif; beide Formen sind irgendwie merkwürdig. Bei einer Anpassung von "Noldorin" an Sindarin wäre es am besten, daraus cêf pl. cîf zu machen.

Sofern ein weiteres i unmittelbar vor dem e in der letzten Silbe steht, wird aus dieser Gruppe ie im Plural ein einfaches i:

Miniel "Minya (Elb des Ersten Clans)" pl. Mínil (HoME11:383 – Das i in der ersten Silbe wird eventuell deshalb zu í verlängert um irgendwie die Tatsache auszugleichen, dass das Wort im Plural von drei auf zwei Silben verkürzt wird? In vergleichbaren Fällen im "Noldorin" der Etymologien geschieht dies nicht, z.B. Mirion "Silmaril" pl. Miruin, nicht ?Míruin, HoME5:373 MIR)

In allen nicht-endständigen Silben ändert sich das e im Plural nicht, wie man auch an den Beispielen eledh pl. elidh und ereg pl. erig sieht.

 

Der Vokal I:

Zu diesem Vokal kann man nur eines sagen: Im Plural ändert er sich nicht, egal ob er in der letzten Silbe steht oder in einer anderen (Beispiele für letzteres: Ithron "Zauberer" pl. Ithryn aus den NaME:574 oder Glinnel "Elb des Dritten Clans" pl. Glinnil aus HoME11:378.) Nach allem was wir wissen, hängen die Vokaländerungen im Plural des Sindarin vom i-Umlaut ab; die Pluralendung –i im Alt Sindarin glich die Vokale des Wortes an sich an ehe sie entfiel. Wenn einer der Vokale eines Wortes i ist, kann er verständlicher Weise dem –i  der Pluralendung nicht noch ähnlicher werden, da er schon zu 100% i ist. Die Sindarin-Form von Silmaril, Silevril, ist sowohl Singular wie Plural: Der Singular wird in HoME5:383 unter dem Eintrag RIL angeführt, aber in HoME10:200 gibt es die Bezeichnung Pennas Silevril als Gegenstück zu Quenya Qenta Silmarillion, die Geschichte von den Silmarils (Plural!). Ein weiteres Beispiel, in dem das Wort im Plural offensichtlich unverändert bleibt, findet sich in HoME11:149 mit Amon Ethir "Hügel der Späher". Das Wort ethir "Späher, Spione" wird zweifelsohne vom Wortstamm TIR- "beobachten" abgeleitet (HoME5:394, obwohl das Wort als solches dort nicht erwähnt wird). Man kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass der Singular "Späher, Spion" auch ethir ist. Nur im Satz-Zusammenhang läßt sich feststellen, ob das Wort Singular oder Plural ist, wie auch bei einer Reihe anderer Worte des Sindarin (z.B. dîs "Braut" oder sigil "Dolch"). Wie auch immer, da Sindarin unterschiedliche bestimmte Artikel für Singular und Plural besitzt, kann man z.B. "der Späher" von "die Späher" unterscheiden: nämlich i ethir bzw. in ethir. Außerdem kann auch die Endung des Gruppenplurals –ath an jedes Substantiv angefügt werden, und es wird vielleicht auch häufiger bei den Worten Verwendung finden, die ansonsten keinen eindeutigen Plural besitzen.

Der Vokal O:

In der letzten Silbe eines Wortes (unabhängig davon ob es auch die einzige Silbe ist) wird o im Plural zu y , entsprechend wird langes ô zu ý:

orch "Ork" pl. yrch (HoME5:379 ÓROK)
toll "Insel" pl. tyll (HoME5:394 TOL² )

bór "Getreuer" pl. býr (HoME5:353 BOR; entsprechend der Schreibweise im Stil des HdR sollte der Akzent eigentlich ein Zirkumflex in beiden Formen sein, da es sich um einsilbige Worte handelt)

amon "Berg, Hügel" pl. emyn (HoME5:348 AM¹)  
annon
"Tor" pl. ennyn (HoME5:348 AD)

Im Fall von amon wird in den Etymologien auch die Form emuin als möglicher Plural aufgeführt; offensichtlich kann man davon ausgehen dass diese eine ältere Form ist, bei der der Diphtong ui zu einem späteren Zeitpunkt zu  y wurde. (Wir können außerdem annehmen, dass die Nennung von "Peringiul" in HoME5:152 als Plural von Peringol "Halbelb" lediglich ein Lesefehler von Peringuil ist – Christopher Tolkien beschreibt die betreffende Passage als "hastig mit Bleistift geschrieben", zu Lesefehlern verleitend. Die spätere Form wäre Peringyl, obwohl sie nirgends belegt ist.)

Sofern vor dem o noch ein i steht, was eigentlich "iy" ergäbe wird dieses im Plural zu y vereinfacht: folglich ist thelyn der Plural von thalion "Held" (HoME5:388 STÁLAG). Miruin als Plural von Mirion "Silmaril" (HoME5:373 MIR) muß als veraltete Form angesehen werden. Wir dürfen annehmen, dass thelyn in einer früheren Entwicklungsphase theluin war und das Miruin später zu Miryn wurde; im Sindarin im Stil des HdR ist der Plural mit y zu bevorzugen.  

ANMERKUNG:
Alle oben genannten Beispiele sind den Etymologien (HoME5:339-400) entnommen, aber die Plurale yrch, emyn, ennyn sind auch im HdR belegt. Ein genaues Beispiel aus dem Sindarin stellt ithron "Zauberer" pl. ithryn dar (NaME:574, wo eine post-HdR Quelle wiedergegeben wird). Wie auch immer, im "Noldorin" der Etymologien gibt es auch Beispiele dafür, dass sich das o in der letzten Silbe in einer völlig anderen Art und Weise verhält, es wird im Plural  nämlich zu öi (in den Etymologien "oei" geschrieben). Diese öi hingegen wurde zu ei als alle ö's zu e's wurden. Folglich ist im Eintrag  ÑGOL  der Plural von golodh "Noldo" sowohl mit gölöidh ("goeleoidh") als auch mit geleidh angegeben – anscheinend als frühere und spätere Form beabsichtigt. In anderen Fällen wird nur die spätere Form mit ei aufgeführt: gwador "Gefährte" pl. gwedeir (TOR), orod "Berg" pl. ereid (ÓROT), thoron "Adler" pl. therein (THOR / THORON). Wie auch immer, es scheint wenig Grund geben anzunehmen, dass diese Formen im Sindarin im Stil des HdR Bestand hätten: In Zweien dieser Fälle, ereid und gölöidh/geleidh , sind die entsprechenden Sindarin-Formen mit y statt ei belegt: nämlich eryd "Berge" und gelydh "Noldor" (s. Eryd Engrin "Eisenberge" in HoME11:6 und Annon-in-Gelydh "Tor der Noldor" Eintrag Golodhrim im Index des Silmarillion – in HoME11:364 wird der Plural von Golodh mit "Goelydh" = Gölydh angegeben, aber das ist lediglich eine archaische Form von Gelydh). Im Licht dieser Beispiele können wir uns die Freiheit nehmen, die Plurale des "Noldorin" gwedeir "Brüder" und therein "Adler" ins Sindarin mit gwedyr, theryn (archisch thöryn) zu übertragen. In den Etymologien gibt es auch zwei Beispiele bei denen o in der letzten Silbe im Plural zu e statt zu y wird: doron "Eiche" pl. deren (DÓRON) und orod "Berg" pl. ered sowie ereid (ÓROT). Der Plural ered ist im späteren Sindarin parallel zu eryd gültig (s. die vielen Varianten die im Index zu HoME11 aufgelistet werden, z.B. Ered Engrin neben Eryd Engrin, HoME11:440). Es scheint so, als ob ered normalerweise nicht als alleinstehendes Wort für "Berge" verwendet wird - das sollte eventuell nur eryd werden – aber ered kann verwendet werden, wenn es der erste Teil eines Namens mit mehreren Bestandteilen ist, folglich ist Ered Engrin eine zulässige Alternative zu Eryd Engrin. Im Brief #168 gibt Tolkien enyd als Plural von onod "Ent" an, macht aber die Anmerkung, dass ened eine Form sein kann, die in Gondor verwendet wird. Vielleicht würden die Gondorianer auch eher dazu tendieren ered statt eryd als Plural von orod zu verwenden, aber es besteht kein Zweifel, dass eryd die reguläre Form im Sindarin ist. Deren als Plural von doron "Eiche" kann im gleichen Licht gesehen werden; obwohl die reguläre Form deryn im Sindarin nicht belegt ist, ist sie nach Möglichkeit zu bevorzugen.

in eine nicht-endständigen Silbe wird o im Plural normalerweise zu e: Alchoron "Ilkorin-Elb" pl. Elcheryn (HoME5: 367 LA). Im alten Sindarin war dieses e früher ein ö (s. Golodh "Noldo" pl. Gelydh früher Gölydh; Quellenangaben dazu s.o.). Ein weiteres Beispiel ist nogoth "Zwerg"; HoME11:338 gibt den Plural mit nögyth ("noegyth") an, aber in HoME11:338 wird Athrad-i-Negyth "Furt der Zwerge" erwähnt. Dies stellt nicht wirklich einen Unterschied dar; nögyth ist schlicht die alte Form, die später zu negyth wurde. Im Sindarin im Stil des HdR wären die Formen negyth und Gelydh zu bevorzugen; außerdem führt Tolkien im Brief #168 enyd als Plural von onod "Ent" an. (Der alte (wenn auch nirgends erwähnte) Plural wäre önyd).

Es gibt jedoch auch einige wenige Worte, bei denen a oder ó in einer nicht-endständigen Silbe nicht zu (ö >) e wird. Dies ist dann der Fall, wenn o aus einem früheren A entstand; die ungefähre Entwicklung ist â > au > o. Ein Beispiel ist Rodon "Vala" pl. Rodyn statt **Rödyn > **Redin (HoME10:200 nennt Dor-Rodyn für Quenya Valinor = "Land der Valar"; es scheint, dass Rodyn eine Alternative zu Belain als Bezeichnung für "Valar" im Sindarin ist. Es wurde auch schon überlegt, ob Rodyn den Begriff Belain in Tolkiens Konzeption ersetzte. Die erste Silbe von Rodyn hat nachweislich den selben Ursprung wie die mittlere Silbe –rat in Aratar , der Quenya-Bezeichnung für einige der hohen Valar. Ein o , das die Stelle eines früheren A einnimmt, unterliegt nicht i-Umlautung. Als Vergleich Ódhel "Elb der Mittelerde verließ" pl. Ódhil in HoME11:364, hier steht ó für ein früheres aw (die primitive Form von Ódhel wird als aw(a)dela "Fort-Gehender" zitiert). Die spätere (von Golodh "Noldo" beeinflusste) Form Gódhel hatte entsprechend den Plural Gódhil: ungeachtet des Einflusses von Golodh pl. Gelydh kam nicht die Form **Gédhil auf. Die bisher genannten Beispiele entstammen dem Sindarin aus der Zeit nach dem Herrn der Ringe, aber Vergleichbares findet sich auch schon im "Noldorin" der Etymologien. Das Beispiel rhofal "Flügel, Schwinge" pl. rhofel im Entrag RAM (HoME5:382), wo der primitive Singular mit râmalê angegeben ist, bestätigt, dass ein o wenn es (über au) aus â entsatnd nicht der i-Umlautung unterliegt. Wie bereite erwähnt, wird "Noldorin" rhofal pl. rhofel unter Berücksichtigung von Phonologie und Schreibweise im Sindarin des HdR zu roval pl. rovail – roval ist im HdR lediglichals Teil des Adlernamens Landroval belegt – dieses o wird im Plural trotzdem nicht zu e (**revail ist aufgrund der phonologischen Entwicklung unmöglich).  

 

Der Vokal U:
Ein kurzes u wird im Plural in jeder Silbe zu y, wie am Beispiel tulus "Pappel" pl. tylys (HoME5:395 TYUL) zu sehen ist. Ein langes û in der letzten Silbe (oder einem einsilbigen Wort) wird allerdings zu ui; das Adjektiv dûr "dunkel" (wie in Barad-dûr "Dunkler Turm") nimmt die Form duir an, wenn es einem Plural wie Emyn Duir "Dunkle Berge" (NaME: 559) zugehörig ist.

ANMERKUNG:
Der Plural des Wortes "Bogen" könnte cui sein, in scheinbarer Übereinstimmung mit der o.g. Vorgehensweise. Tatsächlich steht cui jedoch für den wesentlich älteren Plural ku3i (oder kuhi), mit dem Wortstamm KU3 (HoME5:365). Der ursprüngliche Laut, den Tolkien häufig mit h oder 3 (letzterer ist der Reibelaut g) umschrieb, verschwand im klassischen Sindarin und aus dem ursprünglichen uhi wurde ui.

 

Der Vokal Y:
Soweit man das übersehen kann, ändert sich der Vokal y (egal ob kurz oder lang) im Plural nicht. Ein Wort wie ylf "Trinkgefäß" (HoME5:416) deckt allem Anschein nach Singular und Plural ab; es gibt schlicht und ergreifend nichts, was der Umlaut mit diesem Vokal "machen" kann, ebenso wie er auch den Vokal i nicht verändern kann. Es fehlen uns explizite Beispiele für ein Wort, bei dem der Vokal y sowohl im Singular wie im Plural auftritt, doch in HoME11:418 gibt es die Bezeichnung Bar-i(n)-Mýl "Heimat der Möwen". Scheinbar ist das Wort für Singular "Möwe" ebenfalls mýl (zumindest wäre dies der Fall, wenn es sich vom Stamm MIV "jammern, quengeln" HoME5:373 ableitet; obschon dort ein völlig anderes "Noldorin"-Wort für "Möwe" angegeben wird –völlig anders deshalb, weil die dort aufgeführten Formen, Quenya maiwë und "Noldorin" maew, eindeutig einen Stamm mit eingefügtem a widerspiegeln *MAIW-).

 

Der Diphtong AU:
Im "Noldorin" der Etymologien scheinen Worte, die diesen Diphtong beinhalten Pluralformen mit ui zu bilden:

gwaun "Gans", pl. guin (HoME5:397, WA-N)
naw "Idee, Gedanke", pl. nui (HoME5:378, NOWO)
rhaw "Löwe", pl. rhui (HoME5:383, RAW)
saw "Saft", pl. sui (HoME5:385, SAB)
thaun "Pinie", pl. thuin (HoME5:392, THÔN)

Es scheint jedoch so, als sei dies ein Merkmal des "Noldorin", das im späteren Sindarin Tolkiens nicht fortbestand. In NaME:583 wird Nibin-noeg als Name der Kleinzwerge erwähnt, und das letzte Element dieses Namens ist offensichtlich der Plural von naug (siehe Naugrim als Name für die Rasse der Zwerge, wie man ihn im Silmarillion findet). Also wird au im Plural des Sindarin zu oe. Bei den Pluralformen der o.g. Worte sollte man also oe anstelle von ui verwenden, wenn man eine Anpassung an das spätere Sindarin vornimmt. ("Noldorin" rhaw pl. rhui würde im Sindarin zu raw pl. roe, thaun "Pinie" wurde von Tolkien jedoch anscheinend zu thôn geändert; s. Baumbart, der von Dorthonion und Orod-na-Thôn sang (HdR2,Bd.3,Kap.4); im Index des Silmarillion wird Dorthonion mit "Land der Kiefern" übersetzt ["pine" > "Kiefer" (Amerik. Engl.), "Pinie" (Brit.Engl.); Anm. der Übersetzerin]. In den Etymologien wurde thôn dem "Ilkorin" zugeordnet. Der Plural von thôn ist im Sindarin vermutlich thýn).

ANMERKUNG:
Der Diphtong au wird in der unbetonten Silbe von zusammengesetzten Worten häufig zu o reduziert, wurde im Plural aber vermutlich unverändert zu oe. Der Plural eines Wortes wie balrog "Dämon der Macht" (-rog steht hier für raug "Dämon") ist also vermutlich belroeg –sofern man sich nicht aufgrund von Analogien dazu gezwungen sieht die Form ?belryg zu bilden.

 

Andere Diphtonge:
Größtenteils fehlen uns wirklich gute Beispiele, aber wenn unser Verständnis der grundlegenden Phonologie wasserdicht ist, ändern sich die Diphtonge ae, ai, ei, ui normalerweise im Plural nicht (mit der Ausnahme, dass ai bei einer ganz bestimmten Wort-Kategorie im Plural meist zu î wird; doch dazu später). Wie im Fall der Vokale y und y gibt es nicht viel, was der Umlaut bei diesen Diphtongen verändern könnte, so steht ein Wort wie aew "Vogel" ebenso für "Vögel". Für den Diphtong ui gibt es zumindest belegte Beispiele: Das Adjektiv "blau" ist sowohl im Singular wie im Plural luin (siehe Anmerkungen). Zahlreiche Adjektive mit –ui scheinen ebenfalls im Plural unverändert zu bleiben; im Brief des Königs z.B. i Mbair Annui "die westlichen Lande" oder wörtlich *"die Lande westlich", hier muß das Adjektiv annui "westlich" der Plural sein um mit "Länder" übereinzustimmen. Unglücklicherweise ist dieses Adjektiv anderweitig nicht belegt, aber es gibt keinen irgendwie gearteten Grund anzunehmen, dass die Singularform eine andere wäre (vgl. annûn "Westen" –und wie oben schon erwähnt, gibt es andere Adjektive mit –ui).

ANMERKUNG:
In Formulierungen wie Ithryn luin "Blaue Zauberer" (NaME:507) muß das Adjektiv luin "blaue" der Plural sein um im Numerus mit "Zauberer" übereinzustimmen. Man  könnte denken, dass luin der Plural von lûn ist; eine Form, die man erhielte, sofern man eine Sindarin-Anpassung des Wortes für "blau" aus dem "Noldorin", nämlich lhûn (HoME5:370, LUG² ), vornähme. Wie schon oben besprochen, wird ein langes û in de Endsilbe im Plural zu ui, somit schiene alles zu passen: luin könnte der Plural von lûn sein. Was dieser scheinbar schlüssigen Theorie jedoch den Boden entzieht, ist der Name des Berges Mindolluin "Ragender Blaugipfel" (übersetzt im Index des Silmarillion). In diesem Fall gibt es keinen Grund, warum das Adjektiv "blau" hier im Plural vorliegen sollte, also scheint luin ebenso die Singular-/Grundform zu sein. Auch gibt es in HoME11:193 *Luindirien" "Blaue Türme"; am Anfang eines zusammengesetzten Wortes sollte man annehmen, dass das Wort für "blau" nahezu unverändert in seiner Grundform erscheint und nicht in einer gebeugten Pluralform. Es sollte noch erwähnt werden, dass im selben Eintrag der Etymologien, der für "Noldorin" lhûn (>Sindarin ?lûn) als Wort für "blau" angibt, lúne als Entsprechung im Quenya genannt wird. In Namarië im HdR ist das Adjektiv "blau" allerdings luini (dies ist die Pluralform aus der Formulierung "blaue Gewölbe", der Singular ist möglicherweise luinë­­). Während in den Etymologien die Worte für "blau" von der primitiven Form lugni (Wortstamm LUG², HoME5:370) abgeleitet wurden und im Quenya lúne und im "Noldorin" lhûn ergaben, scheint Tolkien später entschieden zu haben, dass eine primitive Form wie *luini sowohl Quenya luinë­­ als auch Sindarin luin ergibt. Schlußendlich scheint luin "blau" Singular und Plural abzudecken, was wiederum dafür spricht, dass der Diphtong ui bei der Pluralbildung keinem Wandel unterliegt. Die Tatsache, dass auch das Adjektiv annui "westlich" sowohl Singular als auch Plural ist, deutet in die selbe Richtung.

Besonderheiten des ai-Plurals:
Wie schon vorher erwähnt, ändert sich der Diphtong ai normalerweise im Plural nicht. Ungeachtet dessen scheint bei einer kleinen Gruppe von Worten ai im Plural entweder zu i (meistens langes î) oder seltener zu ý zu werden. Beispielsweise wird der Plural des Substantivs fair "Sterblicher Mensch" mit fîr angegeben (HoME11:387, dort ist der Singular fair in der archaischen Form feir angegeben). Die Pluralformen mit î treten dort auf, wo ai im Singular aus einem i oder e entstand, dass von einem y weiter hinten im Wort beeinflußt wurde. Das gerade genannte Beispiel, fair oder archaisch feir, entstand aus einer Form des Alt-Sindarin, die dem Quenya-Gegenstück firya ähnelt (im späten Alt-Sindarin möglicherweise firia; siehe auch skhalia- in der Wortliste des Anhangs zum Artikel über Alt-Sindarin). Man darf annehmen, dass andere Worte mit einer entsprechenden phonologischen Entwicklung ihre Pluralformen auf ähnliche Art und Weise bilden, obwohl in den meisten Fällen der Plural in den veröffentlichten Materialien Tolkiens nicht ausdrücklich erwähnt werden. Die fraglichen Substantive und Adjektive sind cai "Zaun" (p. ), cair "Schiff" (pl. cîr), fair "Sterblicher Mensch" (pl. fîr), gwain "neu" (pl. gwîn), lhain "schlank" (pl. lhîn), mail "lieb" (pl. mîl) und paich "Saft" (pl. pich); man beachte das kurze i. Das Wort sein "neu" aus dem "Noldorin" mit dem Plural sîn (HoME5:385, SI) würde im Sindarin zu sain pl. sîn, aber es scheint, dass Tolkien im Sindarin das Wort für "neu" (wie oben erwähnt) in gwain pl. gwîn änderte (dazu ist anzumerken, dass der selbe Eintrage in den Etymologien, der "Noldorin" sein erwähnt auch sinya als Entsprechung im Quenya nennt, allerdings ist in späteren Quellen das Quenya-Adjektiv "neu" vinya –anscheinend das Gegenstück zu gwain). 

ANMERKUNG:
Im "Noldorin" erscheint lhain pl. lhîn in der Form thlein pl. thlîn, die ursprüngliche (Singular)-Form wird mit slinyâ (HoME5:386, SLIN) angegeben. Diese Überarbeitung verdeutlicht den Unterschied zwischen "Noldorin" und Sindarin: Der ursprüngliche Anfangslaut sl- wurde im "Noldorin" zu thl-, im Sindarin dagegen zu lh-. Die Worte werden also in Übereinstimmung mit Tolkiens überarbeiteter Phonologie angepaßt. Thlein könnte relativ einfach als lhein übernommen werden, doch diese Form wäre in den Tagen Frodos altmodisch, die gebräuchliche Form wäre statt dessen lhain. Ähnliches ist bei dem Wort paich "Saft, Sirup" zu beobachten, es wird in den Etymologien in der Form peich (HoME5:382, PIS) aufgeführt; diese "Noldorin"-Form ist Rahmen der Sprachentwicklung jedoch nicht als hinfällig zu betrachten, sondern kann als altmodische Form des Sindarin angesehen werden. Dies ist auch bei ceir "Schiff" (HoME5:365, KIR) der Fall; die Form cair im Sindarin-Stil des HdR ist mehrfach belegt (HoME12:371; eine Fußnote im HdR Anhang A übersetzt Cair Andros mit "Schiff von Langschaum"). –Das Wort cair liefert auch das Beispiel für andere bemerkenswerte Eigenschaften dieser Wortgruppe: Sofern sie als erster Teil eines zusammengesetzten Wortes auftreten, wird ai zu í- verkürzt, wie im Namen Círdan "Schiffbauer". Im Gegensatz dazu bleibt ai unverändert, wenn das Wort der letzte Teil eines zusammengesetzten Wortes ist; folglich erscheint gwain "neu" als wain im Sindarin-Namen des Monats Januar, Narwain (was anscheinend "Neue Sonne" oder "Neues Feuer" bedeutet; vgl. Quenya Narvinyë).

Bei drei Worten, in denen ai aus ei und dem noch älteren öi (von Tolkien "oei" geschrieben) entstand, sollte der Plural eigentlich den Vokal y, ý aufweisen, jedoch fehlen hier explizite Bestätigungen aus den bisher veröffentlichten Papieren Tolkiens. Diese Theorie basiert auf der Tatsache, dass der erste Teil des archaischen Diphtongs öi den Vokal o oder u des Wortstammes verkörpert, aus dem durch Umlautung y wurde, ähnlich wie in den Fällen bei denen de alte Vokallaut im Sindarin überdauert hat. (wie bei orch "Ork" pl. yrch). Die fraglichen Worte sind 1) fair Adjektiv "rechts"/Substantiv "rechte Hand" (pl. fýr, PHOR, s. Quenya forya), 2) rain "Spur, Fährte, Fußabdruck" (pl. rýn, RUN, s. Quenya runya) und 3) das verwandte Wort tellain "Fußsohle" (pl. tellyn, wo die Endsilbe –lain anscheinend von rain<runya assimiliert wurde, die archaische Form talrunya findet sich in HoME5:390 unter dem Stamm TAL,TALAM). Im "Noldorin" der Etymologien erscheinen diese Worte als feir (die ältere Form "foeir" = föir wird ebenso erwähnt), rein (alt röin) und tellein (die ältere Fom tellöin ist zwar nicht genannt, aber wohl beabsichtigt). Zu beachten ist, dass fair zwar sowohl "rechts, rechte Hand" als auch "Sterblicher Mensch" bedeutet, die unterschiedliche Abstammung aber unterschiedliche Pluralformen zur Folge hat: fýr im ersten Fall und fîr im letzteren.

 

Einsilbige Wörter, die später mehrsilbig wurden

(sich aber möglicherweise bei der Pluralbildung noch wie einsilbige verhalten)

 

Hier geht es um ein Thema, das in Tolkiens Schriften nicht direkt angesprochen wird. Aber andererseits ist auch kaum etwas von seinen grammatikalischen Schriften zugänglich. Unser  allgemeines Verständnis der Entwicklung des Grauelbischen legt es aber nahe, dass sich bestimmte Gruppen von Substantiven im Plural etwas unerwartet verhalten - obwohl dieses Verhalten  durch die phonologische Geschichte völlig gerechtfertigt ist.

 

Eine wesentliche Entwicklung in der Geschichte des Sindarin ist der Verlust der Endvokale. Dabei wurde aus dem alten Wort ndakro "Schlacht" später ndakr. Im frühen Sindarin erschien dieses Wort dann als dagr. Ein anderes Beispiel ist das Wort makla "Schwert", das später als makl und im frühen Sindarin als magl erscheint. Wir müssen annehmen, dass der Plural von Wörtern wie dagr, magl auf dieselbe Art gebildet wurde, wie bei anderen einsilbigen Wörtern von vergleichbarer Form, wie beispielsweise alph, "Schwan" pl. eilph. So wären die Plurale "Schlachten" und "Schwerter" wahrscheinlich deigr und meigl (diese Formen wären in Gebrauch, bevor ei in der Endsilbe normalerweise zu ai wurde).

 

Was die Sache kompliziert macht, ist die Veränderung die Wörter wie dagr und magl schließlich erfuhren. Das wortfinale r oder l entwickelte sich zu einer eigenen Silbe, so dass beispielsweise magl als mag-l ausgesprochen wurde, wie im Englischen "eagle" als "eeg-l" gesprochen wird. Später wandelten sich diese silbischen Konsonanten zu vollständigen Silben indem der Vokal o vor den Konsonanten eingefügt wurde: Dagr (dag-r) wurde zu dagor und magl (mag-l) wurde zu magol (tatsächlich wurde letzteres oft durch megil ersetzt, was eine angepaßte Form des Quenya Worts für "Schwert" macil sein muß). Die Pluralformen deigr, meigl würden sich wohl auf dieselbe Art zu deigor, meigol entwickeln (und der spätere Übergang von ei zu ai in der letzten Silbe würde nicht vorgenommen werden, da sich das ei nicht mehr in der letzten Silbe befindet). In synchroner Betrachtungsweise führt das zu Effekten, die wie Unregelmäßigkeiten erscheinen: Normalerweise würde man für die Singularworte dagor, magol die Pluralformen degyr, megyl erwarten, da o in der letzten Silbe normalerweise im Plural zu y wird (beispielsweise amon "Hügel" und der Plural emyn). Aber in Fällen wie dagor, magol wurde das o erst relativ spät eingeführt und scheint jünger zu sein, als der Umlaut o>y; daher würden die neuentwickelten os - vermutlich - vom Umlaut unberührt bleiben. Falls Tolkien nicht annahm, dass ein analoger Ausgleich diese "Unregelmäßigkeiten" einebnete, müssen alle zweisilbigen Wörter, deren zweite Silbe ein nachträglich entwickeltes o enthält, immer noch bei der Pluralbildung als einsilbig behandelt werden. Das o bleibt unverändert und der Vokal in der "vorletzten" Silbe wird behandelt als stünde er in der letzten Silbe, was genau das ist, wie es früher war.

 

Die fraglichen Adjektive und Substantive sind: Badhor "Richter" (Pl. beidhor, wenn die Theorie stimmt - ansonsten wäre es die analogische Bildung bedhyr), bragol "plötzlich", "heftig" (Pl.  breigol; dieses Adjektiv erscheint auch als bregol, Pl. vermutlich brigol), dagor "Schlacht", Pl. deigor), glamor "echo" (Pl. gleimor), hador "Werfer", "Schleuderer" (Pl. heidor),  hathol "Axt" (Pl. heithol), idhor "Nachdenklichkeit" (im Plural unverändert; glücklicherweise braucht ein Wort mit dieser Bedeutung normalerweise keinen Plural), ivor ?"Kristall" (im Plural unverändert),  lagor "geschwind" (Pl. leigor), maethor "Krieger" (im Plural unverändert), magol "Schwert" (Pl. meigol), magor "Schwertkämpfer" (Pl. meigor), nadhor "Weide(-gras)" (Pl. neidhor), nagol "Zahn" (Pl. neigol),  naugol "Zwerg" (Pl. noegol), tadol "doppelt" (Pl. teidol), tathor "Weide(-nbaum)" (Pl. teithor), tavor "Klopfer", "Specht" (Pl. teivor), tegol "Schreibfeder" (Pl. tigol). Vielleicht gehört auch noch gollor "Magier" zu dieser Liste (Pl.  gyllor statt ?gellyr).

 

ANMERKUNG:

Einige andere Besonderheiten dieser Gruppe von Wörtern sollen hier noch festgestellt werden: In (älteren?) Zusammensetzungen tritt das neu entwickelte o nicht auf und der Endvokal, der sonst verschwunden ist, bleibt manchmal erhalten. Daher erscheint magol, das sich aus dem ursprünglichen makla herleitet, in Zusammensetzungen als magla-. HoME5 listet unter der Wurzel MAK (S. 371) Magladhûr als "Schwarzes Schwert" (magol "Schwert" + dûr [gedehnt zu dhûr]  "schwarz, dunkel"). Wird ein solches Wort vor ein Bestandteil gesetzt, der mit einem Vokal beginnt, erscheint der  ursprüngliche Endvokal nicht mehr, aber das neuentwickelte o wird auch nicht gefunden.: HoME5: 398, TAM, zeigt, dass tavr (auch tafr geschrieben) "Specht" diese Form in der Zusammensetzung Tavr-obel, Tavrobel *"Specht-stadt" behält, obwohl tavr als eigenes Wort tavor wurde. Genauso zeigt  HoME5:361, ID, dass das Wort "idher" (falsch für idhor?) "Nachdenklichkeit" als idhr- im Namen Idhril erscheint. - Es ist möglich, dass sich im späten Sindarin die Analogie bis zu einem gewissen Maße durchsetzte und diese Gruppe von Wörtern wie alle anderen behandelt wurden. Vor der kollektiven Pluralendung -ath (siehe unten) würde man das später entwickelte O nicht erwarten. Zum Beispiel würde man als kollektiven Plural von dagr "Schlacht" dagrath (nicht belegt) erwarten, unabhängig davon, dass dagr  später dagor wird, wenn es als Simplex (alleine) erscheint. Aber in 'Nachrichten aus Mittelerde'  (NaME) S.395, 396 finden wir nicht dagrath sondern dagorath. Auch wenn kaum Zweifel bestehen kann, dass letzteres eine historisch nicht gerechtfertigte Form ist: R stand nicht am Ende und bildete keine eigene Silbe in dagrath, so dass sich kein o davor entwickelte, und dagorath muß als Analogie zum Simplex dagor entstanden sein. Das ist um so überraschender, da eine andere belegte Form, der kollektive Plural von nagol "Zahn", die erwartete Form hat: Naglath (HoME8:122). Eine Form nagolath entsprechend zu dagorath ist nicht nachgewiesen. (Der Simplex nagol ist auch nicht nachgewiesen, aber Tolkien stellte sich bestimmt ein ursprüngliches Wort *nakla "Beißwerkzeug" ="Zahn" vor [vgl. den Stamm NAK  "beißen",  HoME5: 374], dieses *nakla wurde dann *nakl und später *nagl > *nagol in Sindarin). Außerdem gibt es noch den Namen Eglath "Die Verlassenen" für die Sindar. Dieser kollektive Plural spiegelt die ursprüngliche (singular) Form hekla oder heklô wieder (HoME11:361; es ist unbekannt ob sich auch eine unabhängige Singular-Form in Sindarin entwickelte; wenn ja, wäre es egol aus früher egl und der normale Plural wäre igl und später igol).

 

Eine Form ?Egolath erscheint nirgends (und wäre genauso überraschend, wie wenn statt der  belegte Zusammensetzung Eglamar "Land der verlassenen Elben" plötzlich *Egolmar auftauchte). Müssen wir annehmen, dass Tolkien seine eigenen Regeln vergaß, als er in NaME (zweimal, S. 395, 396) dagorath statt dagrath schrieb? Wir können uns eher vorstellen, dass es mehrere Varianten des Sindarin gab. In einem 'reineren' und 'klassischeren' Stil würden die kollektiven Plurale von Wörtern wie dagor und nagol möglicherweise die historisch korrekten Formen dagrath, naglath annehmen, aber in einem eher 'umgangssprachlichen' oder 'formloseren' Stil, könnten Formen wie dagorath und nagolath durch Analogie in Gebrauch kommen. Es ist dann möglich anzunehmen, dass in einer Form von Sindarin, die dagorath gegenüber  dagrath bevorzugt, der historisch korrekte Plural deigor ebenfalls durch degyr ersetzt würde, wobei die Umlautung dem üblichen Schema folgt. Interessanterweise verrät der Name Dagorlad "Schlachtebene",  der im  'Herr der Ringe' (HdR) erscheint, dass dagor als erster Teil eines zusammengesetzten Wortes nicht ?dagro- wird, was die frühere Form ndakro wiederspiegeln würde (im Gegensatz zu den oben genannten Beispielen: magol "Schwert" wird in der Zusammensetzung Magladhûr  magla-, welches das ursprüngliche makla zeigt und tavor "Specht" erscheint in der Zusammensetzung Tavrobel in der archaischen Form tavr). Also wirkt wieder die Analogie zur Simplexform. Vielleicht wäre Dagorlad tatsächlich ?Dagrolad wenn die Zusammensetzung älter wäre, schon in den guten alten Zeiten geprägt, als die Elben noch etwas wie *Ndakro-lata (Endvokal unsicher) sagten. Stattdessen wurde Dagorlad  offensichtlich später aus dagor "Schlacht" und -lad  "Ebene " zusammengesetzt. Eine spätere Zusammensetzung "Schwert-Schwarz" würde wahrscheinlich nicht Magladhûr sondern einfach Magoldhûr sein und "Specht-Dorf" könnte als späte Zusammensetzung gut Tavorobel statt des nachweisbaren Tavrobel sein.

 

In bestimmten anderen Fälle von einsilbigen Wörtern, die mehrsilbig wurden, wird nicht ein neuer Vokal vor einem Konsonanten eingefügt, wie in dagr > dagor, sondern es wird ein Konsonant zum Vokal. In den meisten Fällen ist dies ein älteres -w, das zum -u wird. Bevor die Endvokale verloren gingen, endeten einige Wörter in -wa (typischerweise Adjektive) oder  -we (typischerweise Abstrakte). Als der Vokal verschwand, blieb nur noch das -w von diesen Endungen. Beispielsweise das Wort für "Geschicklichkeit" oder "Fertigkeit", das in Quenya als kurwe (curwë) erscheint, was auch die Form des Wortes in Alt-Sindarin wäre, wurde im frühen Sindarin zu curw. Wir müssen annehmen, dass dies im Plural zu cyrw wurde, einer vollständig regulären Form entsprechend den oben angegebenen Regeln. Aber nach HoME5:366, KUR, wurde curw später curu: Das -w am Ende nach einem anderen Konsonanten wurde zum Vokal -u. Der Halbvokal wurde zum vollen Vokal. Wieder würde das Erscheinen des Vokals wahrscheinlich zu scheinbaren Unregelmäßigkeiten führen: Bei einem Substantiv wie curu ist man versucht es wie tulus "Pappel", Pl. tylys zu behandeln - also curu, Pl. ?cyry. Aber dieses, wenn es überhaupt existierte, wäre eine analog  gebildete Form. Der historisch bedingte Plural von curu kann nur cyru sein, da aus dem alten Pl. cyrw später cyru wurde, genauso wie auch aus dem Sg. curw  curu.

 

Dies sind nun die betroffenen Wörter mit den vorgeschlagenen Pluralformen: anu "Ein männliches Wesen" (plural Form einu), celu "Quelle, Ursprung" (Pl. cilu), coru adj. "gerissen, verschlagen" (Pl. cyru), curu "Fertigkeit, listiger Plan, Geschick" (Pl. auch cyru), galu "gutes Geschick, Glück" (Pl. geilu), gwanu "Tod, Vorgang des Sterbens" (Pl. gweinu), haru "Wunde" (Pl. heiru), hethu "neblig, verborgen, undeutlich" (Pl. hithu), hithu "Nebel" (bleibt im Plural unverändert und darf nicht mit der Pluralform des Adjektives hethu durcheinandergebracht werden), inu "ein weibliches Wesen" (im Plural unverändert), malu "fahl, blass" (Pl. meilu), naru "Rot" (Pl. neiru), nedhu "Polster, Kissen" (Pl. nidhu), pathu "ebener Platz, Rasen" (Pl. peithu), talu "flach" (Pl. teilu), tinu "Funke, kleiner Stern" (im Plural unverändert). Die Wörter mit dem Stamm-Vokal a lassen wir  Pluralformen mit ei statt mit ai haben, wobei wir annehmen, dass diese Wörter zweisilbig wurden, bevor in den Endsilben aus ei ai wurde (das heißt, dass die Silbe in der ei  vorkommt als diese Veränderung eintrat schon nicht mehr die letzte war, weil -w schon zu -u geworden war und eine neue Endsilbe bildete). Daher ergibt sich anu : einu, gwanu : gweinu, haru : heiru, malu : meilu, naru : neiru, pathu : peithu, talu : teilu. Falls der Wandel von ei zu ai in den Endsilben vor dem Übergang zur Mehrsilbigkeit stattfand, müssen wir ai statt ei in den Pluralformen annehmen - außer bei haru und naru, deren Pluralformen wohl eher neru und heru wären, die sich aus herw und nerw entwickelt hätten. (Vergleiche den Pl. von narn "Erzählung", der nern ist, wahrscheinlich entwickelt aus dem früheren ?neirn, indem ei  vor einer Konsonatenverbindung, die mit r- beginnt, zu e vereinfacht wird. Falls der Pl. von naru neru ist, würde das bedeuten, dass ei  zu e vereinfacht wurde, bevor die Verbindung rw der früheren Formen narw, Pl. ?neirw aufgelöst wurde, indem der Endkonsonant w zum Vokal u wurde. Andernfalls würde, wie oben angenommen, die Regel das ei vor einer r-Verbindung zu e würde nicht greifen: Die ursprüngliche Verbindung hätte sich schon in einen einzelnen Konsonanten und einen Vokal verwandelt).

 

ANMERKUNG:

In den Etymolgien  ist die spätere Phase, in der aus -w -u wurde, oft nicht explizit festgehalten. Es gibt curu neben dem älteren curw (KUR) und naru neben älter narw (NAR¹), aber ansonsten sind nur die älteren Formen, in denen es das -w noch gibt, aufgelistet: So finden wir anw, (3AN), celw (KEL), corw (KUR), galw (GALA), gwanw (WAN), harw (SKAR), hethw / hithw (KHITH), inw (INI), malw (SMAL), nedhw (NID), pathw (PATH) und tinw (TIN) statt anu, celu, coru etc. wie oben. Diese letzteren Formen sind in Tolkiens Schriften nicht direkt nachgewiesen. Es könnte sein, dass Tolkien, soweit es das "Noldorin" der Etymologien betrifft, noch nicht endgültig entschieden hatte, dass -w in dieser Position zu -u würde; diese Idee erscheint nur an einigen wenigen Stellen aufgekommen zu sein. Allerdings müssen wir nicht zögern, die späteren auf -u endenden Formen zu benutzen, wenn wir ein Sindarin haben wollen, wie es im HdR und im Silmarillion benutzt wird. Beachten Sie, dass in den Etymologien gesagt wird, die "Noldorin" Form des Quenya Namens Elwë wäre *Elw, diese Form ist mit einem Stern versehen, da sie so nicht tatsächlich in der Sprache der Exilierten verwendet wurde (HoME5:398, WEG). Aber im Kapitel 4 des veröffentlichten Silmarillions ist das Szenario anders. "Noldorin" wurde nun zu Sindarin und es gibt sogar eine Sindarin Form von Elwë, aber sie ist Elu statt "Elw" wie in den Etymologien: "Vergeblich wurde Elwe von seinem Volke gesucht, und ... wurde in späteren Tagen ein großer König ... und König Graumantel hieß er, Elu Thingol in der Landessprache [von Beleriand]." Hier können wir klarerweise eine Entwicklung Elwe > Elw > Elu annehmen. Es scheint also völlig gerechtfertigt, auch (beispielsweise) für celw "Quelle, Ursprung" die spätere Form celu (analog zu Elu) zu verwenden, auch wenn diese Form celu so nicht explizit belegt ist. Einen parallelen Fall bildet der Name Finwë; wieder sagen die Etymologien, dass die "Noldorin" Form *Finw wäre, dass diese aber nicht benutzt worden wäre (HoME5:398, WEG). Eine viel spätere nach-HdR Quelle stimmt damit überein, dass es keine Sindarin Form von Finwe gab, aber das dieser Name "wenn er wie ein Wort dieser Form behandelt würde, das im ursprünglichen Sindarin vorhanden gewesen wäre, Finu [und nicht Finw] wäre" ('Peoples of Middle Earth' (PM) S. 344). Wenn "Noldorin" Finw dem Sindarin Finu entspricht, können wir schließen, dass "Noldorin" gwanw Sindarin gwanu entspräche. - Das oben aufgelistete Wort talu "flach" erscheint tatsächlich als dalw (nicht **talw) in den Etymologien, aber direkt nach dalw ist dalath "flache Oberfläche,  Ebene" aufgelistet  (LR, S. 353, Wurzel DAL), das in dem Namen Dalath Dirnen "Bewachte Ebene" (HoME5:394, TIR) erscheint. Aber Tolkien änderte später dalath zu talath; im Silmarillion heißt die "Bewachte Ebene" in Beleriand Talath Dirnen. Übereinstimmend mit dieser Veränderung, ändern wir auch das verwandte "Noldorin" Wort dalw "eben" in das Sindarin talw>talu. Wir können aber immer noch (dalw >) dalu - und in diesem Zusammenhang auch dalath - als gültige Nebenformen annehmen.

 

Es gibt auch einige wenige Fälle in denen ein -gh (angehauchtes g)  am Wortende zum Vokal wird. Ein Beispiel liefert HoME5:381, PHÉLEG, wo ein Wort fela "Höhle" aus dem Alt-Sindarin (oder "Alt-Noldorin") phelga abgeleitet wird. Da Endvokale nach der "Alt-Sindarin"-Stufe verloren gingen, ist fela kein Beispiel für ein ursprüngliches finales a, das im späteren Sindarin überlebte. Vielmehr scheint Tolkien sich folgendes vorgestellt zu haben: Alt-Sindarin phelga wurde natürlich zu phelg, als der Endvokal verschwand. Dann wurden Verschlußlaute nach den Liquiden l und r zu Hauchlauten (NaME:353) und somit aus phelg phelgh (oder felgh, da die Verschiebung ph > f ungefähr zur gleichen Zeit stattfand). Aber gh überlebte niemals in das Sindarin von Frodos Zeit. Am Wortanfang verschwand es spurlos, aber in dieser Position wurde es vokalisiert: Felgh wurde zu fela. Der Plural von felgh war offensichtlich filgh, nach den normalen Regeln gebildet (vergleiche beispielsweise telch "Stamm", Pl. tilch – HoME5:391, TÉLEK). Die Pluralform filgh wurde dann fili, wobei die Vokalisierung von gh hier zu einem i, statt einem a führte (vielleicht wurde g>gh etwas palatalisiert durch die verlorenen Alt-Sindarin Pluralendung -i, die auch den Umlaut verursachte, wodurch die anschließende Vokalisierung in Richtung i verschoben wurde). Es macht keinen großen Unterschied, wie wir uns den Vorgang im Detail vorstellen: Auf jeden Fall ist das Endergebnis das außergewöhnliche Paar fela Pl. fili aus den älteren Formen felgh Pl. filgh.    

Fela Pl. fili ist der einzige Fall, in dem Tolkien explizit sowohl den Singular, als auch den Plural eines solchen Paares erwähnt. Es gibt allerdings zwei oder drei andere Wörter, die eine ähnliche phonologische Entwicklung  haben. Das Wort thela "Spitze (eines Speeres)" kommt vom Stamm STELEG (HoME5:388), und obwohl Tolkien keine ursprünglichen Formen auflistet, müssen wir wahrscheinlich im Ursprünglichen Elbisch eine Form stelgâ (Endvokal unsicher) annehmen, die zu Alt-Sindarin sthelga und später (s)thelgh wird, wovon die Pluralform (s)thilgh wäre. Im Singular ergibt sich dann die belegte Sindarin-Form thela (völlig analog zu fela); der nicht nachgewiesene Plural muß dann thili sein (entsprechend dem belegten Plural fili). 

Außerdem gibt es noch einige wenige Adjektive. Ein Adjektiv thala "unentwegt, beständig, fest" wird in HoME5:388, STÁLAG, vom Alt-Sindarin/"Noldorin" sthalga abgeleitet. Die nicht belegte Zwischenform wäre dann (s)thalgh, Pl. (s)teilgh, nach den normalen Regeln, wie (beispielsweise) alph "Schwan", Pl. eilph. Wir müssen also annehmen, dass die Pluralform von thala theili ist. Ein ähnlicher Fall wäre tara "zäh, unbewegt", von dem gesagt wird, es repräsentiere die Alt-"Noldorin"/Sindarin Form targa (HoME5:390). Wieder wäre die unbelegte Zwischenform targh. Die Pluralform dieses Adjektivs könnte teirgh sein, was dann wahrscheinlich Sindarin teiri ergeben würde. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit: Wie schon erwähnt, scheint ei irgendwann vor Konsonantenverbindungen, die mit r beginnen zu e vereinfacht worden zu sein (daher haben wir nern statt neirn > nairn als Plural von narn "Erzählung"). Wenn dies der Fall war, bevor das End-gh des Pluraladjektivs zum Vokal wurde, so dass die Konsonantenverbindung verschwand, würde die Form zu tergh und im späteren Sindarin teri. Derzeit können wir nicht sicher sagen, ob teri oder teiri die beste Pluralform für tara wäre, da wir nicht wissen, in welcher genauen Reihenfolge sich Tolkien die Lautverschiebungen  gedacht hat; ich würde wahrscheinlich teiri benutzen.

 

Der verlängerte Plural 

Es gibt eine Wortgruppe, deren Plural scheinbar länger ist als der Singular. Aus historischer Sicht sollte die Perspektive jedoch korrekterweise eigentlich umgekehrt werden und von einem "verkürzten Simngular" gesprochen werden, da in diesem Fall die dem Plural zugrunde liegende Form einen besseren Eindruck des ursprünglichen Wortes vermittelt als die aktuelle Form des Singular. 

In HoME11:363 wird von êl gesagt, es sei ein (altmodisches) Wort im Sindarin für "Stern". Entsprechend der bereits ausgeführten Regeln, basierend auf Beispielen wie hên "Kind" Pl. hîn (HoME11:403), würde man die Pluralform **îl erwarten. In HoME11:363 wird er Plural von êl jedoch mít elin angegeben. Die erweckt den Anschein, als läge die Pluralendung –in vor. Doch dies ist, genau genommen, nicht wirklich der Fall. Beim vergleich dieser Worte mit den Quenya-Gegenstücken elen Pl. eleni bekommt man eine erste Ahnung davon, was hier wirklich vorliegt. Eleni wäre ebenso der im Alt-Sindarin verwendete Plural, woraus sich im Sindarin schließlich elin ergibt: Die Pluralendung ging wie alle finalen Vokale unter, hinterließ jedoch ihre Spuren in Form der Umlautung des zweiten e zu i. Das n der Pluralform eleni war "sicher", da es von der Pluralendung abgeschirmt wurde, doch die Singularform elen wurde anscheinend zu ele reduziert, obwohl diese Form von Tolkien nicht ausdrücklich erwähnt wird. Später entfielen die finalen Vokale und es ergab sich el, woraus noch später, als die Vokale einsilbiger Worte dieser Form verlängert wurden, das êl im Sindarin entstand. Und somit ergibt sich das im Sindarin des 3.Zeitalters merkwürdige Paar êl Pl. elin. Im Fall eines anderen, ähnlichen Wortpaares, nêl "Zahn" Pl. nelig, führen die Etymologien die Formen nele Pl. neleki des "Noldorin"/Sindarin an, was die eben angeführten Erklärungen bestätigt: Der Vergleich des Singular nele mit dem Stamm NEL-EK (HoME5:376) zeigt, dass der Konsonant entfiel. (Im Ur-Eldarin hatte nele anscheinend noch die Form *neleg, die auch direkt dem Quenya nelet zugrunde liegt, das an gleichre Stelle erwähnt wird –die Phonologie des Hochelbischen gestattet kein wortfinales –k, so wurde es stattdessen zu –t.) Folglich ergibt sich im Singular *nelek>nele>*nel>Sindarin nêl , doch der Plural neleki  (wie auch im Quenya)> umgelautet *neliki>später wegen des Verlustes des finalen Vokals *nelik>Sindarin nelig. 

Andere Worte, die sich entsprechend verhalten: 

ael "Teich, See", Pl. aelin (angepasst von "Noldorin" oel Pl. oelin, HoME5:349 AY; es gibt Aelin-Uial "Dämmerseen" im Silmarillion)

âr "König", Pl. erain (doch der vollständige Singular aran scheint üblicher zu sein als der verkürzte âr)

bór (oder besser bôr) "Getreuer, Vertrauter", Pl. beryn (HoME5:353 BOR, wo der Plural in seiner "Noldorin"-Form auftaucht berein, beren; angepasst an seine vermutliche Sindarin-Form. Vgl. den "Noldorin"-Plural geleidh "Noldor" entsprechend dem Sindarin gelydh. – Der Eintrag BOR zeigt, dass der Plural von bór später zu býr wurde, gebildet in Analogie zum Singular; Schreiber sollten nach Möglichkeit býr verwenden.)

fêr "Buche", Pl. ferin (HoME5:352  BERÉTH, vgl. HoME5:381 PHER; letztere Quelle zeigt, dass dieses Wort für "Buche" später durch brethil ersetzt wurde – ein Wort, das im Plural unverändert bleibt.)

ôr "Berg", Pl. eryd oder unregelmäßig ered (doch wie im o.g. Fall von âr ist der vollständige Singular orod scheinbar üblicher als der verkürzte ôr; HoME5:379 ÓROT listet zwei Singulare des "Alt Noldorin" , vollständige oroto oder verkürzt oro; diese würden später in der Sprache entsprechend zu orod und ôr, aber der einzige aufgeführte Singular ist eigentlich orod – abstammend vom unverkürzten oroto.)

tôr "Bruder", Pl. teryn (HoME5:394 TOR; angepasste Form vom "Noldorin" terein. Der selbe Eintrag in den Etymologies zeigt jedoch auch, dass dieses Wort für "Bruder" im normalen Sprachgebrauch ersetzt wurde durch muindor Pl. muindyr, oder – wenn "Bruder" im weiteren Sinne von "männlicher Verbündeter" verwendet wird - gwador, dessen "Noldorin"-Plural gwedeir war; als gwedyr ins Sindarin übernommen.)

thôr "Adler", Pl. theryn (HoME5:392 THOR; Plural weider angepasst vom "Noldorin" therein. – Dieser Eintrag in den Etymologien zeigt, dass der unverkürzte Singular thoron ebenso verwendet wurde. 

Ergänzend zu den genannten, gibt es einige Worte, die in die selbe Kategorie gehören, obwohl die Pluralformen keinen finalen Konsonanten haben; pêl "eingezäuntes Feld" Pl. plei, ôl "Traum" Pl. ely und thêl "Schwetser" Pl. theli. Hier ist schlicht und einfach der ursprüngliche finale Konsonant h, leniert vom s in der Phase des Alt-Sindarin, in den Pluralformen entfallen: Die zugehörigen Stämme werden mit Pel(ES), ÒLOS und THELES in den Etymologien angegeben. Beim ersten dieser Einträge wird pêl "eingezäuntes Feld" als von pele (HoME5:380) abstammend dargestellt, welches ausgehend vom Stamm PEL(ES) als reduzierte Form von *peles (s. das Quenya-Ggenstück peler, eindeutig hergeleitet von *pelez<*peles). Der Plural der alten Form pele wird mit pelesi angegeben, und es wird weiter ausgeführt, dass dies zu peledhi ("peleki" in HoME%:380 ist ein offensichtlicher Lesefehler von Tolkiens Manuskripten, denn s wurde hier zu h; vgl. barasa>baraha in HoME5:351 BARÀS). Wie schon in einem vorher erwähnten Fall, neleki wird zu nelig, wurde der Plural pelehi zu *pelih –doch in diesem fall war der entstandene finale Konsonant so schwach, dass er entfiel und sich die Pluralform peli ergab, die den falschen Eindruck erweckt, dass das Sindarin eine Pluralendung ähnlich dem –I des Quenya verwendet. 

ANMERKUNG:
Einige der vorstehend zitierten Formen sind geringfügig angepasst. Pêl "eingezäuntes Feld" erscheint in HoME5:380 PEL(ES) als pel; entsprechend der aus vielen anderen Beispielen rekonstruierten Phonologie sollte der Vokal lang sein. Das Weglassen des Zirkumflexes in der Form pel ist lediglich ein Fehler, entweder von Tolkien selber oder vom Setzer (vielleicht wurde der Singular mit dem Plural peli vermischt, in dessen Form das e kurz sein sollte). –Der Plural von ôl "Traum" wird in HoME5:379 òlos mit elei angegeben; dies sollte im Sindarin als ely gelesen werden, sie schon früher erwähnt. Dieser Fall ist eine Parallele zu
geleidh im "Noldorin", dem im Sindarin gelydh als Bezeichnung für die Noldor (Sg. golodh) entspricht: In beiden Fällen entsteht das ei im "Noldorin" aus dem o des Singular und entspricht somit dem y des Sindarin (vgl. Auch die bereits erwähnten berichtigten/angepassten Pluralformen: beryn, teryn, theryn im Sindarin, wo es im "Noldorin" der Etymologien berein, terein, therein lautet). - Eine weitere Form ist ebenfalls anzupassen: In den Etymologien ist der Plural von thêl nicht theli wie oben erwähnt, sondern thelei (HoME5:392 THEL, THELES). Warum sich  das Wort thêl, das sich vom Stamm THELES ableitet, im Plural irgendwie anders verhalten sollte als das Wort pêl, das von PELES abgeleitet ist, ist nur schwer zu verstehen; wenn also der Plural zu letzterem peli lautet, darf man sich möglciherweise die Freiheit nehmen, den Plural zu thêl von thelei zu theli zu berichtigen. Die Pluralformen theli und das belegte peli passen bvesser zum allgemeinen System: Die Plurale repräsentieren die vollständigen Wortstämme THELES und PELES, abgesehen von dem Detail, dass das finale s später entfiel (nachdem es zwischenzeitlich zu –h geworden war), und dass wie üblich das e in der finalen Silbe im Plural zu i wird (wie bei Edhel "Elb" Pl. Edhil, HoME11:377). Folglich wäre *pelis der Plural von *pelis, und wenn amn den entfallenen finalen Konsonanten entfernt erhält man die belegte Pluralform peli; im Licht dieses Beispiels wäre der Plural von *theles eher *thehis>thelials "thelei". Wenn man den Plural thelei erhalten will (in dem fall müsste auch peli zu pelei geändert werden um die Übereinstimmung zu erhalten), muss man Tolkiens post-etymologische Entwicklung in Betracht ziehen, dass ei in finalen Silben schließlich zu ai wurde, was dann im Sindarin des 3. Zeitalters thelai, pelai als ziemlich fremdartige Plurale zu thêl, pêl ergäbe. Wägt man all das ab, erscheint es naheliegender thelei in theli zu ändern, in Entsprechung zum belegten Beispiel peli, als andere Wege zu gehen. (Im Fall von thelei/theli "Schwestern" können Schreiber dieses Problem glücklicherweise vermeiden: HoME5:392 THEL nennt als übliches Wort für "Schwester" muinthel Pl. muinthil, oder –dort wo "Schwester" in der weitergefassten Bedeutung "weibliche Gefährtin/Verbündete" verwendet wird- gwathel Pl. gwethil.)- Ein weiterer Plural aif –ei ist im "Noldorin" tele "Ende, Rückseite, hinterer Teil" Pl. telei (HoME5:392 TELES). Soweit es den Singular betrifft, weicht die Entwicklungetwas von dem ab, was thêl aus dem Stamm THELES ergab; zu beachten ist, dass bei tele der finale Vokal noch an seinem Platz ist (es wurde nicht zu **têl als parallele zu thêl). Die ursprüngliche Form von tele wird mit télesâ angegeben (der Akzent zeigt hier nur Betonung an). Im "Alt-Noldorin" wäre das zu telesa>teleha geworden (in den Etymologienzwar nicht explizit erwähnt; vgl. aber azu das primitive barasâ "heiß, brennend", das im "Alt-Noldorin" barasa>baraha ergibt, HoME5:351 BARÀS). Später entfielen die finalen Vokale, folglich  auch teleha>teleh, doch schließlich entfielen ebenso die schwachen Finalkonsonanten –h, und zurück blieb nur tele (und der neue finale Vokal entfiel nicht, denn das Stadium in dem diese Entwicklung stattfand war bereits überschritten). Doch was ist mit dem Plural telei? Es ist schwer, genau zu sagen, welche Entwicklungen Tolkien vorschwebte. Der Plural im "Alt-Sindarin" von teleha ist nicht erwähnt, müsste aber telehi gelautet haben (vgl. beispielsweise poto "Tierfuß" Pl. poti, HoME5:384 POTÔ). Später ist zu erwarten, dass das finale i das e in der vorletzten Silbe umlautet, telehi wird zu telihi; dann entfielen die finalen Vokale und noch später die finalen h, was teli als Pluralform ergäbe. Wie also kam Tolkien stattdessen zu telei? Soll mann annehmen, dass im telehi-Stadium das h entfiel und dadurch die Vokale e und i in direkten Kontakt kamen und den Diphtong telei bildeten? Doch dies wäre unvereinbar mit den bereits genannten Beispielen: Der Plural von pelehi ist üeli und nicht **pelei. Es scheint so, als ob be einer Anpassung des "Noldorin" tele Pl. telei an das Sindarin am besten tele Pl. teli zu verwenden ist. So oder so kann die Pluralform telei ohnehin nicht unverändert übernommen werden, da im Sindarin das ei in finalen Silben zu ai wird.

 

Der Plural mit –in

Es gibt einige Worte, die anscheinend eine echte Pluralendung –in aufweisen, deren Ursprung jedoch unklar zu sein scheint; es ist denkbar, dass Tolkien sich eine Analogie zu Beispielen wie êl pl. elin vorstellte, bei der (wie vorher dargestellt) keine echte Endung vorliegt.

Das beste Beispiel beinhaltet ein Lehnwort, Drû "Wasa", der Name für einen der Drúedain oder "Wilden Menschen"; die Sindarin-Bezeichnung basiert auf deren Bezeichnung für sich selbst Drughu. Der NaME:502 zufolge war Drúin der Sindarin-Plural von Drû. Möglicherweise kennzeichnet dieser außergewöhnliche Plural das Wort auch irgendwie als Lehnwort; es wird nicht entsprechend der bekannten Regeln gebeugt (denn das hätte eine Pluralform wie **Drui ergeben).

Auf den Feldern von Cormallen (HdR3,Bd.6,Kap.4) wurden die Ringträger als Conin en Annûn gegrüßt, und das wird im Brief#230 mit "Prinzen des Westens" übersetzt. Angenommen, dass Conin "Prinzen" die Pluralendung –in beinhaltet, könnte es ein Plural von ?caun sein (durch das Anfügen von –in, einer zusätzlichen Silbe, wird in der daraus entstandenen mehrsilbigen Umgebung aus dem au ein o). Dieses ?caun könnte die sindarisierte Form von Quenya cáno "Kommandant" (HoME12:345) sein, was wiederum ein Lehnwort wäre und kein ursprüngliches Sindarin-Wort (HoME12:362 erwähnt das eindeutig übernommene Wort caun mit der Bedeutung "Aufschrei, Geschrei"). Wenn conin "Prinzen" nicht der Plural von *caun ist, könnte es der Plural eines ansonsten unbekannten Wortes *conen sein, doch das sieht eher nach einem Adjektiv als nach einem Substantiv aus.

Der im Silmarillion erwähnte Name Dor-Lómin wird in HoME5:406 mit "Land der Echos" übersetzt. Der Anhang des Silmarillion führt das Wort lóm "Echo" auf, allerdings wird nicht erwähnt welcher Sprache es entstammt. Ist lómin der Plural von lóm? Hier muß sorgfältig zwischen den verschiedenen Stadien in Tolkiens Konzeption unterschieden werden. Die Etymologien führen das Wort lóm "Echo" auf (HoME5:367, LAM), allerdings ist dies Doriathrin und nicht "Noldorin">Sindarin. Im Doriathrin (einem Dialekt des Ilkorin, dessen Platz innerhalb der Mythologie später von Sindarin übernommen wurde) gibt es tatsächlich eine Plural-Endung –in, also könnte lómin im Doriathrin "Echos" bedeuten. Doch in dem eben erwähnten Eintrag der Etymologien erscheint der Name, der im Silmarillion Dor-Lómin lautet, in der Form Dorlómen. Von Dorlómen wird behauptet, dass es nicht Doriathrin ist, sondern eine "noldorisierte" Form des wirklichen Doriathrin-Namens Lómendor. Das erste Element ist keinesfalls eine Pluralform, sondern das Doriathrin-Adjektiv lómen "wiederhallend". Vielleicht liefert das einen Hinweis darauf, wie Tolkien den Namen später gedeutet haben könnte. Als er Sindarin zur Sprache Beleriands machte und das "Ilkorin" verwarf, machte er noch immer Anleihen bei diesem besonderen Dialekt des Nord-Sindarin, und der Name Dor-Lómin scheint dem zu entsprechen was darüber bekannt ist ( m wird nach einem Vokal nicht zu mh>v geöffnet; siehe als Beispiel Oromës Name im Nord-Sindarin Arum und nicht Araw [für *Arauv] wie im Standard-Sindarin (HoME11:400). Es ist eine begründete Vermutung, dass Tolkien Dor-Lómin in der Zeit nach dem HdR wörtlich mit "Widerhallendes Land" übersetzte, wobei lómin das Adjektiv des Nord-Sindarin ist, das sich vom älteren *lâmina ableitet. Im Standard-Sindarin wäre die adjektivische Endung im Singular –en und nur im Plural –in, doch dies mag eventuell nicht für diesen Dialekt des Sindarin gelten. Wenn lómin wirklich ein Adjektiv ist, ist es allerdings für die Erörterung der Pluralbildung im Sindarin völlig irrelevant.

 

 Herleitung des Singular vom Plural 

In der großen Mehrzahl der Fälle kann der Singular als Grundform des Substantivs angesehen werden, von der dann der Plural abgeleitet wird. Es gibt allerdings einige Fälle, bei denen der Plural die Grundform ist, von der dann der Singular abgeleitet wird. Historisch gesehen ist fileg "kleiner Vogel/Vögelchen", Pl. filig, ein solcher Fall. Der Stamm PHILIK (HoME5:381) ergab im Sindarin filig, doch da in den meisten Pluralformen das i in der Endsilbe aus einem e im Singular entstand (z.B. Edhil als Plural von Edhel "Elb"), wurde das Wort filig als eine eben solche Pluralform angenommen und der Singular wurde entsprechend der bekannten Vorgehensweise ("rückwärts") gebildet: fileg. Ausgehend vom Stamm PHILIK ist diese Singularform jedoch historisch nicht zu rechtfertigen; wie Tolkien in den Etymologien anmerkte, ist es lediglich ein "analoger Singular". Das Paar fileg, Pl. filig, das vollkommen den üblichen Regeln entspricht, stellt kein besonderes Problem für jene dar, die Sindarin dementsprechend gleichförmig lernen. Doch in den Etymologien wird darauf hingewiesen, dass der Singular auch filigod lauten könnte, wobei die Endung –od vom Effekt her eine "Singular-Endung" ist, woraus sich dann das eigentümliche Paar filigod, Pl. filig ergibt. Ein anderer ähnlicher Fall beinhaltet eine weitere "Singular-Endung": lhewig "Ohr", Pl. lhaw (s. der Berg Amon Lhaw im HdR, "Berg des Hörens" oder wörtlich "Berg der Ohren", am Ende des Kapitels 'Der Große Strom' in Teil 1). Der Plural lhaw wird damit erklärt, dass er die alte Dualform repräsentiert, die ein Paar Ohren beschreibt, oder wie Tolkien schrieb "Ohren (einer Person)" (HoME5:368 LAS²). Der Singular lhewig "Ohr" ist wiederum von dieser Plural- oder Dualform abgeleitet. Eine vergleichbare "Singular-aus-dem-Dual" Bildung mit –ig ist gwanunig "Zwilling", abgeleitet von gwanûn "Zwillingspaar" (HoME11:367). 

ANMERKUNG:
Die Endungen –od, -ig, -og, die verwendet werden um aus dem Plural den Singular zu bilden, können ebenso verwendet werden, um die so. nomina unitatis zu bilden; Worte, die einen bestimmten Teil eines größeren Ganzen oder eine einzelne Einheit innerhalb eines Kollektivs beschreiben. In der Tat scheint dies ihre eigentliche Funktion zu sein. HoME11:391 liefert hierzu ein gutes Beispiel. Im Sindarin gab es das Wort glam "Aufruhr, Lärm, wildes Bellen und Kreischen von Tieren". Da Ork-Trupps ziemlich laut sein konnten, bezeichnete das Wort glam "alleine jede Gruppe von Orks, und daraus entstand eine Singularform, glamog", ein individuelles Mitglied einer glam oder Gruppe von Orks als Kollektiv. In einem solchen Fall kann man schwerlich behaupten, glam sei wirklich der Plural von glamog (das wäre, wie zu behaupten, dass "Reiterei" der Plural von "Reiter" sei); glamog selber könnte vielleicht die Grundlage einer Pluralform ?glemyg sein. Ein weiterer ähnlicher Fall ist das Wort linnod, das nirgends ausdrücklich erklärt aber im Anhang A des HdR verwendet wird: "[Gilraen] antwortete nur mit diesem linnod: Onen i-Estel Edain, ú-chebin estel anim [Ich gab dem Dúnedain Hoffnung, ich behielt keine Hoffnung für mich]." Was also ist ein linnod? Davon ausgehend, dass die Endung –od zur Bildung der nomina unitatis verwendet wird, wie bei filigod ausgehend von filig, kann linnod als eben solche Form verstanden werden, scheinbar auf lind "Lied" basierend (*lindod wird zu linnod, da die Phonologie des Sindarin kein -nd- zwischen Vokalen gestattet). Ein linnod ist also eine Art Einheit, ein Teil innerhalb eines Liedes. Wie schon eben macht es wenig Sinn zu behaupten, dass linnod der Singular von lind sei (so als ob dieses Wort für "Lied" als Plural angesehen werden müsse, nur weil ein Lied aus mehreren Strophen besteht). Vielmehr sollte man linnod als abgeleitetes Substantiv ansehen, ein unabhängiges Wort für "Strophe, Vers", das vermutlich mit linnyd einen eigenen Plural besitzt. (Im Fall von Gilraens linnod scheint es klar zu sein, dass ihr spezieller "Vers" nicht Teil eines längeren Liedes war; er war nur ein Vers oder ein sehr kurzes Gedicht für sich.) Substantive auf –ig scheinen insbesondere einen Teil eines Paares zu bezeichnen, wie auch in den o.g. Beispielen: gwanunig "ein Zwilling" von gwanûn "Zwillingspaar" oder lhewig "Ohr" neben lhaw "Ohrenpaar". Natürlich kann man diskutieren, ob gwanûn, lhaw wirklich die Pluralformen von gwanunig, lhewig sind; letztere Formen bezeichnen einfach eines aus einem Paar.

Das erste Element zusammengesetzter Worte: 

Ein bereits früher zitiertes Beispiel, Edenedair "Väter der Menschen" oder wörtlich "Menschen-Väter" (HoME5:373), ist erkennbar der Plural des zusammengesetzten Wortes adanadar "Mensch-Vater" (adan + adar). Hier kann man die Umlautung der Vokale im gesamten Wort beobachten, alle a's in nicht-finalen Silben werden zu e's, so als wäre es ein einheitliches Wort. Doch wäre es möglicherweise ebenso zulässig, den Plural *adanedair zu verwenden, bei dem das erste Element unberührt bleibt und nur adar "Vater" der Umlautung unterliegt (zu edair). In HoME11:376 macht Tolkien einige Anmerkungen zu den Pluralformen von orodben "Bergbewohner" und rochben "Reiter" (genau genommen die Zusammensetzungen orod-ben "Berg-Person" und roch-ben "Pferd-Person"). Die im Plural auftretende i-Beeinflussung wirkte sich ursprünglich im gesamten Wort aus, und resultierte in den Formen örödbin und röchbin (in HiME11:376 "oeroedbin" und "roechbin" geschrieben; woraus im Sindarin zu Frodos Zeit eredbin und rechbin geworden wäre, obwohl Tolkien diese späteren Formen nicht erwähnt). Des weiteren merkte Tolkien an, dass "die normale [sog. nicht-umgelautete] Form des ersten Elements häufig dann wiederhergestellt wurde, wenn die Natur der Zusammensetzung bedeutsam blieb"; daher kann der Plural von rochben ebenso gut rochbin sein, die Umlautung betrifft hier nur den Vokal des finale Elements –ben "Person", wohingegen roch "Pferd" unverändert bleibt. (Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass der Plural von orodben "Bergbewohner" entsprechend orodbin sein kann, wobei orod "Berg" seine normale Form beibehält; allerdings ist die Form orodbin in HoME11:376 nicht erwähnt). In der Zusammensetzung Edenedair ist das erste Element nicht wiederhergestellt worden, doch wie bereits erwähnt, wäre die Form ?Adanedair möglicherweise ebenso zulässig.

 

II. Der Gruppenplural

Neben dem normalen Plural gibt es im Sindarin den sogenannten Klassen-Plural oder Gruppenplural. Tolkien merkte jedoch an, dass "die Endung –ath (ursprünglich eine Kollektivendung bei Substantiven) als Gruppenplural verwendet wurde, der alle Dinge gleichen Namens oder Zugehörigkeit zur selben Gruppe umfasste; so bedeutet z.B. elenath (als Plural von êl pl. elin) 'die Gesamtheit der Sterne': also alle (sichtbaren) Sterne am Firmament; oder ennorath, die Gruppe der inneren Lande die Mittelerde ausmachen. Ebenso sind die Argonath 'das Paar der Königssteine' an der Grenze zu Gondor zu erwähnen, oder Periannath 'die Hobbits (als Rasse)' als Gruppenplural von perian "Halbling, Hobbit" (pl. periain)." Der Brief des Königs liefert weiter Beispiele: sellath dîn "seine Töchter" und ionnath dîn "seine Söhne", jeweils bezogen auf alle Söhne und Töchter Sams als Gruppen. In einigen Fällen scheint –ath eine Langform –iath zu haben. HoME11:387 nennt firiath als Gruppenplural von feir "Sterblicher" (normaler Plural fîr); ebenso bei den "Kollektivplural"-Formen giliath "Sterne" aus HoME5:358 GIL (wie in Osgiliath "Zitadelle der Sterne"). In einer früheren Version dieser Abhandlung wurde erklärt, dass dieses vor –ath auftretende i als Überbleibsel eines früheren y erhalten blieb (früher firya "Sterblicher", gilya "Stern"). Dies mag bei den Worten firiath und giliath zutreffen, es scheint jedoch so als ob die längere Endung –iath immer dann auftritt, wenn sie an ein Wort mit dem Stammvokal i angefügt wird: Der Vokal wird in der Endung wiederholt.

Sofern die Endung –ath an ein Substantiv angehängt wird, das auf –nc oder –m endet, werden diese aus phonologischen Gründen zu -ng- bzw. verdoppelt zu -mm-, wohingegen die Endungen –nt und –nd beide zu -nn- werden: Der Gruppenplural von Worten wie ranc "Arm", lam "Sprache", cant "Silhouette" und thond "Wurzel" wären folglich rangath, lammath, cannath, thonnath. Hierbei ist zu beachten, dass der Laut [v] nur am Wortende mit f geschrieben wird, sofern man eine Endung ergänzt, wird es so geschrieben wie es gesprochen wird – also v - . Folglich wird der Gruppenplural eines Wortes wie ylf "Trinkgefäß" ylvath geschrieben.

In einigen Fällen wurden anscheinend auch andere Endungen als –ath verwendet, beispielsweise –rim "Volk" (HoME11:388), Nogothrim wäre somit der Gruppenplural von Nogoth "Zwerg". Eine weitere Endung ist –hoth "Horde, Schar". Im Anhang des Silmarillion (Eintrag hoth) wird angemerkt, dass diese Endung "fast immer abwertend" verwendet wurde und nennt als Beispiel Glamhoth "Lärm-Horde", eine elbische Bezeichnung der Orks. Derjenige, der die Schneemenschen von Forochel zuerst als Lossoth (aus loss-hoth, loss ="Schnee") bezeichnete, mochte sie anscheinend nicht. Im Brief#144 erklärt Tolkien, dass "der normale Plural von orch "Ork" zwar yrch ist, die Orks als Rasse oder Gesamtheit einer zuvor erwähnten Gruppe orchoth geheißen" hätte (aus *orch-hoth). Man kann darüber diskutieren, ob Formen wie Nogothrim und Lossoth echte "Mehrzahl"-Formen sind oder eher zusammengesetzte Substantive: Zwergen-Volk, Schnee-Horde. Im Zusammenhang mit Worten mit der Kollektivendung –ath wird stets der Pluralartikel in verwendet, sie sind also tatsächlich Pluralformen. Worte mit den Endungen –rim und –hoth verhalten sich entsprechend; so auch im Namen Tol-in-Gaurhoth "Insel der Wehrwolf-Horde" (Im Silmarillion Kap.18 wird der Name einfach mit "Insel der Wehrwölfe" übersetzt). Im Brief#144 stellt Tolkien fest, dass "der generelle Plural sehr oft durch Anfügung eines Wortes mit der Bedeutung >Stamm, Heer, Horde, Volk< an einen Namen (oder Ortsnamen) gebildet wurde" – jene Endungen die hier besprochen wurden. Es scheint so, dass vom grammatikalischen Standpunkt aus jene Worte, die eine dieser Endungen aufweisen, tatsächlich als Plural angesehen werden können und nicht als zusammengesetzte Substantive.

 

III. Die ungebeugten Fälle

Nach allem, was bisher veröffentlicht wurde, scheint es so, als ob das Substantiv im Sindarin ebenso wie im Quenya in einer Vielzahl von Fällen ungebeugt ist. Der gemeinsame Ursprung von Quenya und Sindarin war mit einiger Wahrscheinlichkeit eine "Fall-Sprache", aber im Sindarin sind die Endungen verloren gegangen (obwohl bei einigen Worten noch Spuren von ihnen zu finden sind –z.B. ennas "dort" einmal mit einem Lokativ [Ein Fall, bei dem das Verb benutzt wird um eine Tat zu beschreiben; Anm. der Übersetzerin] geendet haben, ähnlich der Quenya-Endung –ssë). Im Sindarin werden Vorsilben anstelle der Endungen verwendet um die Fälle darzustellen.

Zu erwähnen ist auch, dass Substantive im Sindarin den Genitiv darstellen können ohne ihre Form zu ändern. Ein Beispiel dafür ist die Inschrift des Moria-Tores: Ennyn Durin, Aran Moria "Tore von Durin, König von Moria". Die Namen Durin und Moria haben hier die Funktion eines ungebeugten Genitivs: von Durin (oder Durins), von Moria (oder Morias). Um die Genitiv-Beziehung  "X von Y" oder "Xs Y" darzustellen, braucht man nur die Worte nebeneinander schreiben: X Y. Der Brief des Königs liefert weitere Beispiele: Aran Gondor "König (von) Gondor", Hîr i Mbair Annui "Herr der westlichen Lande", Condir i Drann "Bürgermeister des Auenlandes". Tolkien merkte an, dass diese ungebeugten Genitive wahrscheinlich von den "gebeugten Formen" abstammen (HoME11:370). In einem früheren Stadium hatte das Sindarin wahrscheinlich ebenso wie das Quenya die Genitiv-Endung o, die dann jedoch in der Sprachentwicklung zusammen mit den anderen endständigen Vokalen verloren ging (Das Doriathrin weist manchmal die Genitiv-Endung –a auf, wie in Túrins Beinamen Dagnir Glaurunga "Glaurungs Verderben"; vgl. auch Bar Bëora "Haus Beors" (HoME11:230). Die Herkunft dieser Endung liegt jedoch im Dunkeln, und sie wird anscheinend auch nicht im Standard-Sindarin verwendet. Gelegentlich werden in einer Genitiv-Formulierung eines oder beide Substantive verkürzt: so werden beispielsweise Doppelkonsonanten auf einen reduziert; vgl. z.B. toll "Insel" mit einem Namen wie Tol Morwen "Morwens Insel" (HoME11:296). Lange Vokale können verkürzt werden; vgl. dôr "Land" mit Dor Caranthir "Caranthirs Land" (HoME11:183). Doch solche Reduzierungen sind nicht zwingend für ein korrektes Sindarin erforderlich; so wird z.B. im Brief des Königs Hîr  in der Formulierung Hîr i Mbair Annui "Herr der westlichen Lande" auch nicht zu Hir verkürzt.

Doch nicht nur der Genitiv, auch der Dativ wird im Sindarin ohne Formänderung des Substantivs dargestellt. Das ist aus dem ersten Teil von Gilraens linnod im Anhang A des HdR ersichtlich: Onen i-Estel Edain "Ich gab den Edain Hoffnung". Das indirekte Objekt, oder Dativ-Objekt, ist eindeutig Edain –aber es weist keinerlei beugende Endung auf. Der Dativ wird anscheinend allein durch die Wortfolge ausgedrückt. Diese Konstruktion kann man mit dem Deutschen "Ich gab den Dunedain Hoffnung" vergleichen, die auch ohne Präposition oder beugende Endung auskommt –doch während im Deutschen bei so einem Fall das indirekte Objekt vor dem direkten Objekt eingefügt wird, erfolgt im Sindarin die Einfügung des indirekten Objekts nach dem direkten Objekt. 

Das Substantiv ist, ebenso wie andere Teile der Sprache, häufig bestimmten, regelmäßigen Änderungen der Konsonanten am Wortanfang unterworfen. Mit diesen Konsonanten-Mutationen befasst sich das folgende Kapitel.

 

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