5. Die Verben
|
I.
Abgeleitete Verben II. Einfache Verben III. Gemischte Konjugation IV. Unregelmäßige Verben und Sonderformen V. Vorschläge zur Konjugation
|
"Die
Systematik der Verben im Sindarin ist weit davon entfernt völlig
verstanden zu werden." Mit diesen Worten begann der Abschnitt über
Verben im ursprünglichen Artikel, und das trifft für weite Bereiche
auch noch immer zu. Seitdem hatte Helge Fauskanger allerdings die Möglichkeit,
sich mit David Salo's Überlegungen und Theorien von bezüglich der
Verben des Sindarin auseinander zu setzen; der folgende Abschnitt baut
auf dieser neuen Grundlage auf. Davids Theorien scheinen Sinn zu machen.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass man sich hier nur auf sehr wenige
Beispiele beziehen kann, und viele Schlussfolgerungen aus diesem Grund
als vorläufig zu betrachten sind. Zwar werden Hunderte von Verben in
den Etymologien erwähnt, doch
da nur wenige effektiver Sindarin-Text
vorliegt, sind die Aussagen zur Konjugation dieser Verben nicht
immer sicher. In den Etymologien
selber hat Tolkien zwar manchmal einige wenige flektierte Formen neben
der Grundform aufgeführt, doch derartige Notizen sind extrem selten und
häufig ist noch nicht einmal klar, was diese flektierten Formen
bedeuten sollen. Ausgehend von den wenigen Beispielen, unter Berücksichtigung
all dessen, was wir über die Phonologie des Eldarin, die Entwicklung
des Sindarin und das ursprüngliche Verbsystem wie es vom geschlussfolgert
werden kann zu wissen glauben, gelangen wir zu einer Systematik wie der
nachfolgend dargestellten. Damit der Text lesbar bleibt, werden die
komplexen Schlussfolgerungen des folgenden Szenarios nicht im Detail
ausgeführt, doch der Leser darf sicher sein, dass die wenigen verfügbaren
Unterlagen eingehend geprüft wurden. Es mag durchaus sein, dass zukünftige
Veröffentlichungen Teile dieser Darstellung ganz oder in Teilen
widerlegen, doch sollten die allgemeinen Eckpunkte der Theorie Bestand
haben. ALLGEMEINES: ENDUNGEN:
|
Die
Konjugation der abgeleiteten
Verben (A-Stämme) scheint relativ geradlinig zu erfolgen, sie
beinhaltet zumeist lediglich eine Reihe von Endungen. Im Umkehrschluss
kann man annehmen, dass Tolkien diese Gruppe der Verben als
"schwache" Verben bezeichnet hätte. Der
Infinitiv wird mit der Endung –o
gebildet, die das –a des
Verbstammes ersetzt:
bronia-
>
bronio
"erdulden" Der
Präsens (der 3.Person
Singular) ist mit dem A-Stamm identische:
bronia-
>
bronia
"erduldet" An diese Form werden dann die Pronominal- und Pluralendungen angefügt: broniar "(sie) erdulden", briniam "wir erdulden" etc. Zu beachten ist, dass die Endung –n "ich" das finale –a zu –o wandelt: also bronion "ich erdulde", dagron "ich führe Krieg" etc.
bronia-
>
broniant "erduldete" Auch
hier könne die Plural- und Pronominalendungen, ebenso wie im Präsens,
angefügt werden. In diesem Fall wird –nt
vor diesen Endungen zu -nne-: Bei
"sie sangen" ergäbe das eigentlich linnanner
(da "sang" linnant
ist), doch immer dann, wenn ein "doppeltes nn"
gebildet würde, wird das Verb zusammengezogen: "sie sangen" wäre
somit linner. Das
Futur wird mit der Endung –tha
gebildet:
bronia-
>
broniatha "wird erdulden" Auch
hier werden die Plural-/Pronominalendungen nach den gleichen Regeln wie
im Präsens angefügt. Und wie im Präsens wird aufgrund der Endung –n "ich" aus dem –a
der ein –o: broniathon
"ich
werde erdulden" (linnathon
"ich werde singen" ist im HdR belegt). Ansonsten bleibt das
finale –a unverändert: broniatham "wir werden erdulden", linnathar "sie werden singen" etc. Der
Imperativ wird mit der Endung –o
gebildet, die das –a
ersetzt. In dieser Gruppe der Verben ist der Imperativ folglich
identisch mit dem Infinitiv. Der Imperativ auf –o
gilt für alle Personen (Briefe); das liegt daran, dass die Form die
selbe ist, egal ob der Befehl einer oder mehreren Personen gilt. Es war
ein Elb der den Gefährten daro! "halt!"
befahl als sie Lórien betraten; HdR1,II,Kap.6. (im Quenya hat man die Möglichkeit
zu unterscheiden; ob diese Möglichkeit auch im Sindarin besteht ist
nicht bekannt.) Das
Partizip Präsens (Mittelwort
der Gegenwart) ist ein Adjektiv, dass von einem Verb abgeleitet wird, es
beschreibt den Zustand während der (andauernden, unvollendeten) Ausübung
der durch das Verb beschriebenen Tätigkeit (singend
ist das Partizip des Verbs "singen"). Im Sindarin wird das
Partizip Präsens mittels der Endung –ol
gebildet, die das –a des
Verbstammes ersetzt:
bronia-
>
broniol
"erduldend" (Das
Beispiel glavrol ist in HoME5:358 GLAM
belegt; ebenso chwiniol
"wirbelnd", HoME5:388 SWIN.
Im vollentwickelten Sindarin sollte man, im Gegensatz zum
"Noldorin" der Etymologien,
wohl eher hw- anstatt chw- schreiben.) Es scheint so, dass die derart hergeleiteten
Partizipien, im Gegensatz zu den übrigen Adjektiven, keine spezielle
Pluralform haben. Dann
gibt es noch das Partizip Perfekt
(Mittelwort der vollendeten Gegenwart). Von der Bedeutung her entspricht
es dem Partizip Präsens mit –ol,
allerdings beschreibt es den Zustand während einer bereits
abgeschlossenen Tätigkeit. Es wir mit der Endung –iel
gebildet, die das –a des
Stammes (oder bei Endung auf –ia
die komplette Endung) ersetzt:
esta-
>
estiel
"hat genannt" Im
Fall der zahlreichen Verben auf –ia
scheinen vergleichbare Formen nahe zu legen, den Stammvokal wie im o.g.
Beispiel hwíniel < hwinia zu verlängern.
(Die Verben siria- "fließen",
thilia- "glitzern",
tiria- "beobachten"
verhalten sich vermutlich ebenso: síriel,
thíriel, tíriel.) Das hat jedoch erschwerende Konsequenzen. Wenn wir der
phonologischen Systematik trauen wollen, die wir in Tolkiens Werk zu
erkennen glauben, muss bei vielen Verben der ursprüngliche
Vokal desselben in Betracht gezogen werden. In Fällen, wo der ursprüngliche
primitive Wortstamm den Vokal A
aufwies, weist das Partizip Perfekt ein ó
auf (anstelle eines langen á,
da im Sindarin schon früher aus dem langen á
ein ó geworden war):
beria-
( BAR ) >
bóriel
"hat geschützt" Besonderes
Augenmerk ist dem Verb egleria-
"verherrlichen" zu widmen, da es von aglar
"Ruhm, Herrlichkeit" und dem Stamm AKLA-R
abstammt, könnte das Partizip Perfekt hier aglóriel
"hat verherrlicht" lauten. Dort,
wo der Ursprungsstamm die Vokale O
oder U aufwies, tritt im Partizip Perfekt ein ú auf (anstelle eines langen ó,
da dieses in früheren Zeiten im Sindarin schon zu ú geworden war):
delia-
( DUL ) >
dúliel
"hat verborgen" (Im
archaischen Sindarin war es einfacher diese Gruppe von der vorherigen zu
unterscheiden, da diese verben früher mit ö
anstatt e geschrieben wurden: dölia-
etc. Nachdem ö zu e
wurde, mussten diese Verben erinnert oder auswendig gelernt werden.) Das
Verb bronia-
"ertragen" ( BORÓN-
) würde entsprechend brúniel
"hat erduldet" ergeben. Es bleibt allerdings ein Rätsel,
warum bronia- nicht in der
Form *brenia- , altertümlich
*brönia- , vorliegt; in
allen vergleichbaren Fällen verursacht die Endung –ia eine Umlautung (z.B. delia-,
vormals dölia-, aus *duljâ-
oder später *dolja-). Andere
Verben, die nicht auf –ia
enden, können der Umlautung unterliegen wenn die Endung –iel
ergänzt wird (was aber nicht sicher ist). Wenn dem so ist, werden die
Vokale a und o zu e
(auch hier wieder, o wurde in
früherer Zeit zu ö und dann
später zu e):
awartha- >
ewerthiel "hat
verlassen" Verbstämme
mit den Vokale e und i bleiben wie gewohnt von der Umlautung unberührt:
critha-
>
crithiel
"hat geerntet" Verben
mit Diphtongen ( eri, ui, ae, au
etc.) ändern sich ebenfalls nicht:
eitha-
>
eithiel
"hat beleidigt" Das
letzte bekannte Partizip ist das Partizip
Passiv (Mittelwort der Vergangenheit), das den Zustand beschreibt,
in dem sich jemand oder etwas befindet (oder befand), der der Ausführung
einer Tätigkeit ausgesetzt ist. Es wird zur Bildung des Passivs
verwendet: Wenn jemand dich sieht, wirst du gesehen; gesehen
ist also das Partizip Passiv des Verbs "sehen". Im Sindarin
wird das Partizip Passiv durch Anfügung der adjektivischen Endung –en
an die 3.Person Singular des Präteritums gebildet. Da die abgeleiteten
Verben das Präteritum auf –nt
bilden, enden die entsprechenden Passiv Partizipien auf –nnen
anstelle von –nten (die
Phonologie erfordert, dass die Konsonantengruppe nt
zwischen Vokalen zu nn wird):
gosta-
>
gostannen "gefürchtet" Als
Partizip Passiv von linna-
"singen" würde man analog eigentlich linnannen
"gesungen" erwarten, doch wie schon früher erwähnt, wird ein
"doppeltes nn"
zusammengezogen: linnen. Anders
als beiden beiden vorgenannten Aktivformen des Partizips gibt es
(vermutlich) im Partizip Passiv eine eigenständige Pluralform (die
verwendet wird, wenn das beschriebene Wort im Plural steht). Diese Form
wird gebildet, indem die Endung -nnen
zu –nnin wird, bei gleichzeitiger i-Umlautung im gesamten Wort. Wie
üblich hat das zur Folge, dass die Vokale a
und o zu e werden (auch hier wieder von o
über ö beim Alt-Sindarin zu e):
harnannen
"verletzt"
>
pl. hernennin Zu
beachten ist, dass hier auch die Endung –a
im Verbstamm, in den o.g. Beispielen also das finale –a
von harna- und gosta-, zu e umgelautet
wird: Im Plural wird –annen
immer zu –ennin. Die
Vokale e und i sind wie gewohnt
nicht von der Umlautung betroffen:
linnen
"gesungen"
>
pl. linnin Gleiches
gilt, wie ebenso schon bekannt, für die Diphtonge ( ei,
ae, ui, au etc.):
eithannen "beleidigt"
>
pl. eithinnen Aus
diesem Grund sollte der Plural des Partizip Passiv des Verbs boda-
"verbieten" auch die Form bodennin
annehmen, und NICHT **bedennin
mit der Umlautung o > e,
da sich das o hier aus einer früheren Form mit dem Diphtong au
entwickelt hat (vgl. das verwandte Wort baw!
"Nicht sollen, unterlassen"). Die
letzte bekannte Verbform ist das Gerundium
(Verlaufsform), eigentlich ein abgeleitetes Substantiv, beschreibt die durch
das Verb beschrieben Handlung als solche. Im Deutschen werden solche
Substantive mit der Endung –ung gebildet, z.B. Nennung
aus dem Verb nennen. Im
Gegensatz zu den Partizipien, die als Adjektive dienen, ist das
Gerundium ein Substantiv. Alle abgeleiteten Verben, oder A-Stämme,
bilden das Gerundium mit der Endung –d:
bronia-
>
broniad
"Erduldung" (der Akt des Erduldens) Es
scheint so, als ob das Gerundium häufig dort verwendet wird, wo wir
sonst den Infinitiv erwarten und verwenden würden. Im Brief des Königs
(HoME9:129) schreibt Aragorn, dass er aníra...
suilannad mhellyn în = "wünscht... seine Freunde zu
grüßen", wörtlich "wünscht... 'Grüßung' seiner
Freunde". Es scheint tatsächlich möglich, dass Tolkien
entschieden hatte die Infinitive auf –o und –i zu
verwerfen (letztere siehe im folgenden Kapitel) um sie durch das
Gerundium zu ersetzen. Die Infinitive auf –o
und –i sind auch in keiner
Quelle aus der Zeit nach den Etymologien
belegt. Das muss zwar nicht viel heißen, da die Sprach-Materialen aus
eben dieser Zeit recht dürftig sind, trotzdem sollte man im Sindarin
das Gerundium verwenden, wenn im Deutschen Sprachgebrauch der Infinitiv
Verwendung findet.
|
II. Einfache Verben
|
Die Konjugation der einfachen, endungslosen Verben (sog. Primär-Verben) ist um einiges komplexer als die der abgeleiteten Verben. Tolkien mag diese Gruppe als "starke" Verben angesehen haben; vgl. HoME11:415. Der Infinitiv wird mit der Endung –i gebildet:
fir-
>
firi
"schwinden,
sterben" Diese
Endung verursacht die Umlautung von a
und o in den Vokal e:
blab-
>
blebi
"flattern" Einige
Verben stimmen unvermeidbar im Infinitiv überein; beispielsweise haben can-
"rufen" und cen-
"sehen" beide den Infinitiv ceni.
Hier ergibt sich aus dem Kontext, welches Verb gemeint ist. (Doch wie
schon oben ausgeführt, verwendet das Sindarin das Gerundium dort, wo
wir sonst im Sprachgebrauch den Infinitiv verwenden, und da ist die
Unterscheidbarkeit gewährleistet: caned
ggü. cened.) Der
Präsens dieses Verben wird
auf zwei Arten gebildet. Die 3.Person Singular erfordert keine zusätzliche Endung und entspricht
folglich dem Verbstamm, wobei im Fall von einsilbigen Verbstämmen der
Vokal verlängert wird:
dar-
>
dâr
"stoppt" Zu
den dokumentierten Beispielen gehören blâb
als Präsens von blebi
"flattern" (HoME5:380 PALAP),
und - mit eindeutigerer Formulierung – der Eintrag TUL-
(HoME5:395), in dem tôl mit
"er kommt" übersetzt wird, was eindeutig die 3.Person
Singular von teli
"kommen" ist. Die Form selber ist die allgemeine 3.Person und
nicht notwendigerweise "maskulin" oder "neutrum",
was sich auch aus einem anderen Zitat ergibt: Der Satz tôl
acharn "Rache kommt" (HoME11:254). Auf acharn
"Rache" würde man sich normalerweise nicht mit dem
Personalpronomen "er" beziehen. ANMERKUNG: Bei
mehrsilbigen Verbstämmen
(meistens Verben mit einer präpositionalen Vorsilbe) erfolgt keine Verlängerung
des Vokals und die 3.Person Singular ist identisch mit dem Verbstamm:
osgar-
>
osgar
"abschneiden" (HoME5:379 OS) In
allen Formen des Präsens, abgesehen von der 3.Person Singular, wird wie
schon eingangs ausgeführt eine Endung angefügt. Diese Endungen werden
an eine Verbform angefügt, sie mit
dem Infinitiv identisch ist, also mit der Endung –i
und der daraus resultierenden Umlautung der Vokale a
und o (wohingegen i
und e nicht beeinflusst werden):
dar-
>
derin
"ich stoppe", derir
"sie stoppen", derig/derich
"du stoppst", etc. Diese
Form wurde lange Zeit als Perfekt angesehen, auch in der früheren
Fassung dieses Artikels. Der Grund dafür war Gilraens linnod
aus dem Anhang A des HdR: onen
i-Estel Edain, ú-chebin estel
anim, was in einer Fußnote mit "Ich gab den Dúnedain
Hoffnung, ich behielt keine
Hoffnung für mich" (Betonung von mir ergänzt) übersetzt wird. Im
Licht anderer Beispiele scheint es jedoch naheliegender ú-chebin
als Präsens anzusehen (und mit "ich behalte [keine] Hoffnung für
mich" zu übersetzen) und anzunehmen, dass Tolkiens Übersetzung im
Präteritum "Ich behielt keine Hoffnung für mich" recht frei ist und Rücksicht
auf die übliche Sprechweise nimmt. (Es bliebt unklar, welche Grundform ú-chebin
hat; entfernt man die Negativ-Vorsilbe ú-
"nicht, un-" und die Konsonanten-Lenierung h<ch,
kommt man zu hebin "ich
behalte". Dies könnte aus hab-,
heb- oder hob- gebildet werden, bei denen die Umlautung den Vokal bei der Form
hebin wandelt. Wie auch
immer, der in VT41:6 veröffentlichte Stamm KHEP
"haben, behalten" scheint der Ursprung dieses Verbs zu sein,
und dann wäre die Grundform heb-. Das
Präteritum der einfachen
Verben beinhaltet die Ein- oder Anfügung eines Nasallautes, auch wenn
dieser häufig bis zur Unkenntlichkeit angeglichen wird. Zuerst werden
die Formen der 3.Person Singular behandelt, da die anderen Formen von
ihnen abgeleitet werden können.
dar-
>
darn
"stoppte, hielt an" Verben,
die auf –n enden, verhalten sich vermutlich
ebenso ( cen- > cenn
"sah"). Wohingegen die Endung –n
bei Verben auf –l möglicherweise
an dieses angeglichen wird ( pel-
> pell
"verdorrte"). Zwar fehlen Beispiele, allerdings deuten
Herleitungen aus dem Quenya in diese Richtung. Bei
Verben, deren Stamm auf –b,
-d, -g, -v,
-dh endet, wird das nasale Element nicht an den Endkonsonanten angehängt,
sondern vor ihm eingefügt (= Infix). Dies hat Konsequenzen, die
jemanden der mit der Entwicklung des Eldarin nicht vertraut ist überraschen
können. Im Sindarin haben sich die Konsonanten b, d, g,
v, dh
hinter einem Vokal aus den früheren Konsonanten p,
t, c,
b (oder m), d entwickelt. Doch
dort, wo der Nasallaut zwischen dem Vokal und dem Konsonanten eingefügt
wird, konnte diese Wandlung nicht stattfinden: Die Einfügung "schützte"
den Konsonanten vor dem Vokal, der ansonsten den Wandel ausgelöst hätte.
Daher scheint es so, als ob b,
d, g
sich nach der Einfügung zurückentwickeln. Genau genommen entwickeln
sie sich jedoch nicht zurück, sie haben sich schlicht und ergreifend
nie geändert:
had-
>
hant
"schleuderte"
( KHAT, HoME5:363) (Es
fällt auf, dass als nasaler Infix, der ansonsten als n
auftritt, bei den Konsonanten der Parmatéma (p und b) nicht das n verwendet wird, sondern der Nasallaut der Parmatéma, nämlich m.)
Vermutlich nimmt auch das vom früheren d
abstammende dh wieder seine ursprüngliche Form an:
redh-
>
rend
"sähte"
( RED ) Ein
dokumentierter Fall ist gwend (
oder gwenn ) als Präteritum des Verbs gwedhi "binden" (HoME5:397 WED-; dort wird der Infinitiv mit "gwedi" angegeben, doch
dies ist mit Sicherheit eine Missdeutung von gweði = gwedhi; vgl. das
verwandte Wort angweð = angwedh).
Wie auch immer, Tolkien merkte an, dass gwend
später durch gwedhant
ersetzt wurde (in HoME5 gweðant geschrieben),
so als sei es ein abgeleitetes Verb *gwedha-
; möglicherweise hatten die Elben (oder Tolkien) eine Abneigung
gegen das Präteritum auf –nd.
Es ist durchaus möglich, dass das Präteritum rend
"sähte" (das in Tolkiens Unterlagen nicht direkt belegt ist)
im späteren Sindarin entsprechend durch redhant
ersetzt wurde. Sofern
wir der rekonstruierten Phonologie des Sindarin trauen wollen, hätten
Verben mit mehr als einer Silbe eine Präteritumform auf –nn
anstatt -nd
. Es sind nur zwei solche Verben bekannt: neledh-
"betreten, eintreten" (Präteritum nelenn?) und eledh-
"ins Exil gehen" (Präteritum edlenn?).
Letzteres ist nicht direkt belegt, sondern hergeleitet von
"Noldorin" egledh-
(HoME5:368 LED ). Verben mit
wortfinalem –v sind
ebenfalls ein Sonderfall. In den meisten Fällen entstand das postvokale
v aus einem früheren b,
diese Verben endeten also irgendwann auf –mb
(wie schon oben erwähnt, ist der nasale Infix vor b hier das m, analog zum
Infix vor p). Aus dem finalen
–mb wurde im Sindarin das
einfache m (Siehe dazu auch
HoME11:394, wo Tolkien feststellt, dass aus dem primitiven *lambê
"Sprache" im Sindarin lam
wurde, was wiederum aus dem Vorläufer *lamb
entstand. Vergleichbar mit der Form lham(b)
des "Noldorin" aus HoME5:367 LAB,
die dem lam(b) des Sindarin
entspricht. Folglich könnten einfache Verben auf –v im Präteritum auf –m
enden, entstanden aus –mb:
lav-
>
lam
(entstanden aus lamb)
"leckte" (Das
Substantiv lam "Zunge/Sprache" ist verwandt und teilt folglich genau
die selbe phonologische Entwicklung.) Wie
schon oben erwähnt, sind die bisher gebildeten Formen sie der 3.Person
Singular. Alle anderen Formen werden durch die bereits eingangs erwähnten
Endungen gebildet. Es stellt sich nun die Frage, welcher
Verbindungsvokal zwischen Verb und Endung eingefügt werden soll. Im
Rahmen der phonologischen Geschichte würde man eigentlich das e
erwarten: Als Entsprechung zu Quenya quenten
"ich sagte" würde man im Sindarin *pennen
erwarten. Allerdings weist das einzige Beispiel dazu in eine völlig
andere Richtung; dies ist einer der Fälle, bei dem man von einer
einzigen Form ausgehend verallgemeinern muss, mit weitreichenden
Konsequenzen für eine ganze Verben-Klasse. Es wäre zu bevorzugen, wenn
andere (insbesondere spätere) Beispiel vorlägen, um sicherzustellen
dass dies nicht nur eine vorübergehende Laune in Tolkiens Entwicklung
des "Noldorin"/Sindarin war, oder ein Lesefehler durch
Christopher Tolkien.
gir-
>
3.Pers.Singular girn "er/sie schaudert": girnin "ich schauderte", girnim
"wir schauderten", etc. Wie
das Beispiel hant > hennin zeigt,
bewirkt der Vokal i die übliche
Umlautung der Vokale in den vorangehenden Silben, a und o werden beide zu e:
dar-
>
3.Pers.Singular darn "er/sie stoppte": dernin "ich stoppte" etc. Das
Beispiel hant > hennin
veranschaulicht auch ein weiteres Phänomen: Die im Präteritum
auftretenden wortfinalen Konsonantengruppen können nicht alle unverändert
bleiben, da sie durch alle angefügten Endungen zu intervokalen Gruppen
wurden. Die Gruppen –nt, -nc, -mp werden
stattdessen zu -nn-, -ng-,
-mm-:
ped-
>
3.Pers.Singular pent "er /sie sprach":
pennin "ich
sprach" etc. Die
Gruppe –ng wird, ebenso wie –nt,
zwischen zwei Vokalen zu -nn-:
gwedh-
>
3.Pers.Singular gwend "er/sie band":
gwennin "ich
band" etc. Ein
wortfinales m (gewöhnlich aus mb
entstanden) wird zu doppeltem -mm-:
lav-
>
3.Pers.Singular lam "er/sie/es leckte":
lemmin "ich leckte" Bezüglich
des Futur kann man davon
ausgehen, dass die Endung –tha auch für diese Verbenklasse
gilt, wobei offensichtlich auch hier ein Verbindungsvokal erforderlich
ist. Es liegen zwar keine entsprechenden Beispiele vor, aber Analogien
zu anderen Formen legen die Vermutung nahe, dass ein i vor der
Endung eingefügt wird. Kurz gesagt, das Futur eines verbs dieser Klasse
wird durch die Anfügung der Endung –tha an den Infinitiv
gebildet:
dar-
>
deri
>
deritha
"wird stoppen" Diese
Formen des Futur (der 3.Person Singular) können dann mit den üblichen
Endungen weiter angepasst werden, genau wie bei der Klasse der
abgeleiteten Verben: telithon "ich werde kommen", telitham "wir werden kommen", telithar "sie werden kommen" usw. (Wie schon bekannt wird
das –a vor der Endung –n
"ich" zu –o,
daher auch telithon statt *telithan ). Der
Imperativ der einfachen Verben
wird mit der Endung*-o* gebildet:
dar-
>
daro
"stopp!" Drei
von diesen Beispielen sind im HdR belegt: Ein Elb hielt die Gefährten
mit dem Befehel daro! "stopp!" an,
als sie Lórien betraten. Pedo "sprich!
/ sage!" findet sich in der Inschrift des Moria-Tores (pedo
mellon, das mit "sage Freund"
übersetzt werden sollte, obwohl Gandalf zuerst annahm es hieße
"sprich Freund"). Sams Ausruf in Cirith Ungol enthielt die
Formulierung a tiro nin, fanuilos! " o blicke zu mir, Ewigweiße!"
(ein Titel Vardas); zur Übersetzung siehe Briefe#211 und RGEO:72. Das
Partizip Präsens (Mittelwort
der Gegenwart) der Verben dieser Klasse bildet sich vermutlich mit der
Endung –el (entstanden aus dem älteren *-ila):
dar-
>
darel
"haltend" Dort,
wo der Stammvokal ein i ist, verlängert sich die Endung zu –iel:
fir-
>
firiel
"schwindend/sterbend" Das
Partizip Perfekt (Mittelwort
der vollendeten Gegenwart) scheint die Endung –iel
zu haben, in Verbindung mit einer Verlängerung des Stammvokals. Der
Vokal i wird einfach zu í:
fir-
>
fíriel
"ist geschwunden/gestorben" (Es
ist zu beachten, dass einzig die Vokallänge zwischen tíriel
"schauend" und tíriel
"hat geschaut" unterscheidet. Zum Vergleich dient auch
RGEO:73, wo Tolkien erklärt, dass während palan-diriel
"fern schauend" bedeutet, palan-díriel
die abgeschlossenen Bedeutung hat: "hat in die Ferne
geschaut". Bei den Worten diriel
/ díriel handelt es sichum die lenierten Formen von –tiriel / -tíriel.
mad-
>
módiel
(aus mádiel)
"hat gegessen" Es
scheint, als ob keine der so gebildeten Partizipien (auf –el
und –iel) gesonderte Pluralformen hat. Das
Partizip Passiv (Mittelwort
der Vergangenheit) dieser Verbenklasse kann durch die Ergänzung der
Endung –enan die Form der 3.Person Singular des Präteritums
gebildet werden:
dar-
>
darn
>
darnen
"wurde gestoppt" (Letzteres
ist im Silmarillion im Namen Talath
Dirnen "Bewachte Ebene" belegt: Dirnen ist die lenierte Form von tirnen).
ped-
>
pent
>
pennen
"wurde gesprochen" Die
Passiv Partizipien auf –en bilden Pluralformen auf –in,
was die übliche Umlautung von a und o zu e
verursacht:
dangen "wurde erschlagen"
>
pl. dengin (Zum
Vergleich der im Silmarillion
erwähnte Haudh-en-Ndengin
"Hügel der Erschlagenen"; ndengin
ist eine Form von dengin.)
pennen "wurde gesprochen"
>
pl. pennin Und
schließlich gibt es noch das Gerundium,
die Verlaufsform als vom Verb abgeleitetes Substantiv, das dort
Verwendung findet, wo im deutschen Sprachgebrauch der Infinitiv verwendet
wird. Das Gerundium der einfachen Verben wird mit der Endung –ed
gebildet:
cab-
>
cabed
"Springen/Spring" Die
Sindarn-Verben cab- "springen, hüpfen" und cen-
"sehen, blicken" sind eigentlich nur als Gerundien belegt! Im Silmarillionwird
der Abgrund, an dem Túrin Glaurung tötet Cabed-en-Aras
"Sprung des Hirsches" genannt. Das Verb cab- steht
offensichtlich in Bezug zu dem in den Etymologien
erwähnten Stamm KAP
"springen, Sprung", wird dort aber nicht erwähnt. Cened
"Sehen/Schauen" erscheint als Teil des Wortes cenedril
"Schauglas / Spiegel" in HoME6:466.
|
III. Gemischte Konjugation
|
Einige
Verben, die von der Form her scheinbar zu den A-Stämmen gehören,
stehen genau genommen zwischen den beiden oben aufgeführten
Verbklassen. Ein Beispiel dafür ist das Verb drava-
"hauen". Bei den meisten Formen verhält es sich wie ein
"wohlerzogener" A-Stamm: Infinitiv dravo,
Präsens drava, Futur dravatha, Imperativ dravo,
Partizip Präsens dravol,
Gerundium dravad. Im Präteritum
würde man die Form *dravant erwarten,
die jedoch nicht auftritt. In Tolkiens Notizen, die in HoME5:354 DARÁM wiedergegeben werden, wird die 1.Person Singular des Präteritums
mit drammen "ich
schlug" angegeben, was auf die Form dram
"er/sie schlug" für die 3.Person Singular hindeutet. (Es gab
dort auch eine unregelmäßige Präteritum-Form dramp,
die uns hier nicht beschäftigen soll –siehe Abschnitt IV). Das Präteritum
dram ist exakt das, was man
bei einem einfachen Verb erwarten würde, das den Stamm drav- (Infinitiv **drevi)
anstatt drava- (Infinitiv dravo)
hat. Ein weiteres Beispiel ist das Verb nara-
"erzählen" (Infinitiv naro,
HoME5:374 NAR²). Das Präteritum
des Alt-Sindarin ("ON") wird mit narne
angegeben, womit im Sindarin das Präteritum eher narn wäre als **narant.
Kurz gesagt: Ein Teil der A-Stämme bildet das Präteritum (der 3.Person
Singular) so als ob der finale Vokal nicht existierte; das Präteritum
wird stattdessen entsprechend der Regeln für die einfachen Verben (I-Stämme)
gebildet. Die wenigen vorliegenden Beispiele lassen vermuten, dass diese
Gruppe von Verben großteils aus Verben besteht die vor dem finalen –a
nur einen einzelnen Konsonanten haben, und bei dem es sich nicht um th
oder ch handelt (die aus früheren
Konsonantengruppen entstanden sind). Wenn man den End-Vokal ignoriert
und dieselben Regeln wie bei den einfachen Verben anwendet, ergeben sich
folgende Formen des Präteritums: (Bezüglich
der Vokalverschiebung o > u
bei groga-, loda-, soga-,
toba- > grunc, lunt,
sunc, tump siehe
Abschnitt IV). Einige
der dreisilbigen Verbstämme aus –da
sind ebenfalls der gemischten Konjugation zuzuordnen: aphada-
"folgen", athrada-
"überqueren", gannada-
"harfen", lathrada-
"lauschen", limmida-
"an-/befeuchten", nimmida-
"erbleichen", tangada-
"standhalten"; Präteritum aphant,
athrant, gannant, lathrant, limmint,
nimmint, tangant oder mit
Endungen aphanne- etc. (Das
Präteritum des "Noldorin" lhimmint,
das im Sindarin dem limmint
entspricht, wird von Tolkien in HoME5:369 erwähnt.) Lange
Vokale werden vor den im Präteritum entstehenden Konsonantengruppen
vermutlich verkürzt:
aníra-
>
anirn
"wünschte, begehrte" Sofern
Pronominal-Endungen angefügt werden, um Personen abweichend von der
3.Person Singular darzustellen, wird das e
als Verbindungsvokal eingesetzt, wie das Beispiel drammen
"ich schlug" beweist. ANMERKUNG: Wie
üblich werden wortfinale –m,
-nc, -nt, -mp
zwischen Vokalen zu -mm-, -ng-, -nn-, -mm-:
drava-
>
dram
>
drammen
"ich schlug", drammem
"wir schlugen" etc. Das
Partizip Passiv wird wie im Fall der normalen einfachen Verben (I-Stämme)
mit der Endung –en gebildet. Somit ist (wie üblich) das Partizip Passiv
identisch mit der 1.Person Singular des Präteritums, und folglich kann drammen
sowohl "ich schlug" als auch "geschlagen" als
Partizip bedeuten., sungen ist auch "trunken" etc. Diese Partizipien bilden
Pluralformen auf –in (was
wiederum Umlautungen auslöst); mit anderen Worten, sie verhalten sich
ebenso wie die Passiv Partizipien der normalen I-Stämme ; siehe
Abschnitt II. Das Ergebnis der Umlautung von u
wäre, dort wo es auftritt, y.
Folglich wäre syngin der
Plural von sungen. Wie
oben angeführt, haben diese Verben ein Partizip Präsens auf –ol,
wie normale A-Stämme (drava-
> dravol
"schlagend"). Das Partizip Perfekt
wird vermutlich entsprechend der Regeln für die I-Stämme gebildet, so
als ob der wortfinale Vokal nicht existiert. Folglich erhielte man die
Endung –iel zusammen mit
einer Verlängerung des Stamm-Vokals, í,
ó, ú
stehen für í, á, ó ( drava-
> dróviel, soga- > súgiel).
Sofern der Vokal bereits lang ist, kann davon ausgegangen werden, dass
er lang bleibt (síla- > síliel ).
|
IV. Unregelmäßige Verben
und Sonderformen
Sofern
die vorgenannten Regeln angewandt werden, sollte man die meisten
Verbformen korrekt bilden –vorausgesetzt, dass das Verbensystem
richtig rekonstruiert wurde. Glücklicherweise bleibt nur eine kleine
Anzahl von Sonderfällen übrig. Einige davon lassen sich relativ
einfach durch die Entwicklung der Phonologie (wie Tolkien sie sich
vorstellte) erklären, einige spiegeln die wechselnden Launen des
Sprachen-Schöpfers wieder, und einige sind schlichtweg sonderbar –was
hoffentlich nicht bedeutet, dass die Rekonstruktion des
Sindarin-Verbensystems und der Versuch Tolkiens Absichten
nachzuvollziehen mit grundlegenden Fehlern und Unzulänglichkeiten
behaftet sind.
groga-
"Entsetzen fühlen"
>
grunc
( RUK ) 3.Person Singular Präteritum ANMERKUNG:
groga-
"Entsetzen fühlen"
>
grunc
>
grungen Wie
gehabt erfolgt bei den Pluralformen dieser Partizipien die Umlautung u
> y: gryngin, lynnin, nynnin,
tymmin, syngin, tyngin.
(Einige dieser Verben, "Entsetzen fühlen" und
"fluten", bilden normalerweise kein Partizip Passiv –es sind
intransitive Verben.) Unpersönliche
Verben: Verschieden
Unregelmäßige Verben: ANMERKUNG: Eine
mögliche Überarbeitung des Systems:
Die
neuen Regeln für die Ableitung des Präteritums der Primärverben ist
relativ einfach zu rekonstruieren: Der Stammvokal des Verbs wird diesem
vorangestellt, und im Verbstamm selber werden die Vokale a,e,o
jeweils in o,i,u geändert (
da sie die "langen" Stamm-Vokale â,
ê, ô repräsentieren, deren Lautwerte sich im Alt-Sindarin geändert
hatten). Der Vokal i ändert
sich nicht. Der Anfangskonsonant unterliegt der Lenierung wenn ihm ein
Vokal vorangestellt wird: p>b,
t>d, c>g (siehe agor
bei car-), b>v, d>dh,
g>entfällt, m>v, s>h. (Die Konsonanten f, th bleiben unverändert.)
ped-
"sprechen"
>
ebid
"sprach" Dies
würde natürlich dem früheren System, wie es in den Etymologien
dargestellt wurde, widersprechen, wie beispielsweise das Präteritum von
gwedh- explizit mit gwend
(oder später gwedhant) anstatt ewidh
angegeben wird. Die Etymologien
nennen auch sunc und sogant für "trank" und nicht ohug. Desweiteren ist pent
"sagte, sprach" außerhalb der Etymologien
belegt, nicht jedoch ebid. Es
müssen weitere Veröffentlichungen abgewartet werden, ehe man
beurteilen kann, bis zu welchem Grad Tolkiens Überarbeitung gediehen
waren – ob dies wirklich als der
neue Weg für die Ableitung des Präteritums der Primärverben gedacht
war und das frühere System ersetzen sollte, dessen Rekonstruktion in
den vorhergegangenen Abschnitten versucht wurde. Im Moment könnte man
Helge Fauskanger zufolge agor als Präteritum von car-
"machen, tun" akzeptieren, doch ansonsten das
"klassische" system weiter verwenden. Tolkiens Wortwahl
–dass das Präteritum des agor-Typs
eher "üblich" als allgemeingültig war – impliziert möglicherweise,
dass am bis zu einem gewissen Grad zwischen den Formen zur Bildung des
Präteritums wählen konnte (aus verschiedenen Texten geht klar hervor,
dass Tolkien unterstellte es gäbe viele Varianten und Dialekte des
Sindarin). Car- "machen,
tun" kann also folgende Formen haben: Infinitiv ceri,
Präsens: 3.Pers.Sg. câr
"er/sie tut" (mit Endungen ceri-;
cerin "ich tue", cerim
"wir tun" etc.), unregelmäßiges Präteritum agor
"tat" (vor Endungen agore-;
agoren "ich tat"
etc.), Futur ceritha
"wird tun", Imperativ caro
"tue!", Partizip Präsens carel
"machend", Partizip Perfekt córiel
"getan", Partizip Passiv coren
(oder carnen?) "getan
werden", Gerundium cared
"Tun". Die
Frage der Umlautung in Vorsilben: Hier
nun einige Verben mit Vorsilben und deren (hypothetische) Konjugation: Mit
der Vorsilbe go- "zusammen": govad-
"treffen, zusammen kommen": Infinitiv gevedi,
Präsens gevedi- (mit den jeweiligen Endungen, Ausnahme 3.Pers.Sg.: govad),
Präteritum gevenni- (3.Pers.Sg. govant),
Futur geveditha, Imperativ govado,
Partizip Präsensn govadel,
Partizip Perfekt govódiel,
Partizip Passiv govannen,
Gerundium govaded gonathra-
"verwickeln,
einwickeln": Infinitiv gonathro,
Präsens gonathra, Präteritum
gonathranne-- (3.Pers.Sg. gonathrant),
Futur gonathratha, Imperativ gonathro,
Partizip Präsens gonathrol,
Partizip Perfekt genethriel,
Partizip Passiv gonathrannen
(Pl. genethrennin), Gerundium gonathrad gonod-
"aufzählen, summieren, rechnen": Infinitiv genedi,
Präsens genedi- (3.Pers.Sg. gonod),
Präteritum genenni-
(3.Pers.Sg. gonont), Futur geneditha, Imperativ gonodo,
Partizip Präsens gonodel,
Partizip Perfekt gonúdiel,
Partizip Passiv gononnen,
Gerundium gonoded genedia-
"rechnen": Infinitiv genedio,
Präsens genedia, Präteritum genedianne-
(3.Pers.Sg. genediant), Futur
genediatha, Imperativ genedio,
Partizip Präsens genediol,
Partizip Perfekt gonúdiel,
Partizip Passiv genediannen
(Pl. genediennin), Gerundium genediad (Beim
letzten Verb ist zu beachten, dass go-
hier bis auf das Partizip Perfekt gonúdiel
immer der Umlautung unterliegt. Die nahe verwandten Verben gonod-
und genedia- hätten somit
identische Formen des Partizip perfekt.) Die
folgende Gruppe beinhaltet Verben mit den Vorsilben ad-
"wieder-" und an-
"an, zu, für", bei denen anscheinend keine Umlautung zu ed-
und en- erfolgt; allerdings fehlen eindeutige Beispiele: adertha-
"wiedervereinen": Infinitv adertho,
Präsens adertha, Präteritum aderthanne-
(3.Pers.Sg. aderthant), Futur
aderthatha, Imperativ adertho,
Partizip Präsens aderthol,
Partizip Perfekt aderthiel
(eher als ?ederthiel),
Partizip Passiv aderthannen
(Pl. aderthennin eher als *ederthennin),
Gerundium aderthad anglenna-
"annähern": Infinitiv anglenno,
Präsens anglenna, Präteritum anglenne-
(3.Pers.Sg. anglennant),
Futur anglennatha, Imperativ anglenno,
Partizip Präsens anglennol,
Partizip Perfekt anglenniel
(eher als ?englenniel),
Partizip Passiv angelnnen
(Pl. eher anglennin als ?englennin), Gerundium anglennad aníra-
"begehren, wünschen": Infinitiv aníro,
Präsens aníra, Präteritum anirne-
(3.Pers.Sg. anirn), Futur aníratha,
Imperativ aníro, Partizip Präsens
anírol, Partizip Perfekt aníriel
(eher als ?eníriel?), Partizip Passiv anirnen
(pl. eher anirnin als ?enirnin),
Gerundium anírad Mit
der Vorsilbe os- "um, herum": osgar-
"amputieren, abschneiden": Infinitiv esgeri,
Präsens esgerni- (3.Pers.Sg. osgarn),
Futur esgeritha, Imperativ osgaro,
Partizip Präsens osgarel,
Partizip Perfekt osgóriel,
Partizip Passiv osgarnen (Pl.
esgernin), Gerundium osgared. Eine
lange und eindeutig unabhängige Vorsilbe wie palan-
"weit und fern" scheint keine Umlautung aufzuweisen: palan-dir-
"in die Weite/ferne sehen": Infinitv palan-diri,
Präsens palan-diri-
(3.Pers.Sg. palan-dir), Präteritum
palan-dirni- (3.Pers.Sg. palan-dirn),
Futur palan-diritha, Imperativ palan-diro,
Partizip Präsens palan-diriel,
Partizip Perfekt palan-díriel
(schwerlich ?pelen-díriel),
Partizip Passiv palan-dirnen
(Pl. palan-dirnin und
schwerlich ?pelen-dirnin),
Gerundium palan-dired
|
V. Vorschläge zur
Konjugation
Grundsätzlich
ist die Grammatik von Tolkiens Sprachen relativ einfach und geradlinig.
Eines der komplexeren Merkmale scheint die Konjugation der Verben des
Sindarin zu sein. Es sollte noch einmal ausdrücklich betont werden,
dass man auf keinerlei Grammatiken von Tolkien zurückgreifen kann; er
schrieb natürlich über diese Themen, doch wurde von den relevanten
Materialien bisher nichts veröffentlicht. Und so muss die Systematik
anhand einiger weniger belegter Formen rekonstruiert werden, zukünftige
Veröffentlichungen können die Annahmen und Schlussfolgerungen also
durchaus entscheidend verändern. Um den Abschnitt aus dem
Sindarin-Kapitel zu zitieren: Im
Zuge der Vorbereitungen zu dem genannten Kapitel machte Helge Fauskanger
sich daran, alle belegten Verben des Sindarin in all ihre Formen zu
konjugieren; entsprechend des Systems, das David Salo rekonstruiert hat.
Eine nützliche Übung, wie er feststellte. Aus diesem Grund fasste er
den Entschluss, die gesamte Liste zu veröffentlichen, da dies die Möglichkeiten
in Sindarin zu Schreiben erheblich erweitern würde. Unglücklicherweise
ist die Zahl der bekannten Sindarin-Verben nicht sehr groß (sie zählen
weniger als zweihundert), was die Ausdrucksmöglichkeiten in dieser
Sprache doch deutlich einschränkt. Nichts desto trotz mag ein Überblick
über die bekannten und hergeleiteten Verben nützlich sein, damit
potentielle Schreiber zumindest wissen, was an Ausdrucksformen möglich ist. Doch selbst wenn das Verb mit der gewünschten Bedeutung sich
in der folgenden Liste nicht findet, ist noch nicht alles verloren.
Manchmal kann man Sindarin-Verben aus dem Quenya oder anderen
Eldarin-Sprachen ableiten, und es muss noch viele Verben in den Unmengen
unveröffentlichten Materials geben, dass hoffentlich eines Tages für
Studien zugänglich gemacht wird. !adertha-
"wiedervereinen", Inf. adertho,
Präs. adertha, Prät. aderthanne-
(3.Pers.Sg. aderthant), Fut. aderthatha, Imp. adertho,
P.Präs. aderthol (P.Perf. aderthiel),
P.Pas. aderthannen (Pl. aderthennin),
Ger. aderthad (letztere ist die einzige belegte Form) Das
Verb wird also in seinen zehn Hauptformen aufgeführt: Endungen
für Person und Numerus: Die
3.Person Singular: Nasalierte
Verben: Verwendete
Symbole und Sonderzeichen: ?
unsicheres Wort oder Wortform *
kennzeichnet eine Form, die so nicht belegt ist, entweder weil
sie aufgrund (eines vermuteten) Schreib- oder Lesefehlers in den Quellen
abgeändert wurde oder weil es sich um die Abwandlung eines belegten
Wortes einer anderen "Tolkien-Sprache" –meist eine Variante
des "Noldorin"- in seine vermutliche (aber unbelegte)
Sindarin-Form handelt. Ein Beispiel ist *rhib-
"kratzen" hergeleitet aus "Noldorin" thrib-.
(Einige unbedeutende und einfache Anpassungen, wie z.B. l- im Sindarin statt lh-
im "Noldorin" werden nicht besonders gekennzeichnet.) In
einigen Fällen kennzeichnet *
auch unbelegte Kommentare. |
Liste
der Sindarin -Verben !abonna-
*"zweit-gebären", szs. "ein Kind gebären, das nicht das
Erstgeborene ist" (möglicherweise nicht tatsächlich als Verb zu
verwenden; nur das P.Pas. Abonnen Pl. Ebennin
[alt Eboennin, HoME11:387] ist belegt, die Entsprechung zu Quenya Apanónar,
die "Nachgeborenen" als ein Name der Sterblichen Menschen, die
Zweitgeborenen Ilúvatars). Inf. abonno,
Präs. abonna, Prät. abonne-
(3.Pers.Sg. abonnant), Fut. abonnatha,
Imp. abonno, P.Präs. abonnol
(P.Perf. abenniel), P.Pas. abonnen
(Pl. ebennin), Ger. abonnad
|
Home Sindarin-Inhalt |